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Der unausweichliche Tag - Roman

Der unausweichliche Tag - Roman

Titel: Der unausweichliche Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Audrun. Doch niemand antwortete.
     
    Licht.
    Licht über ihr, aber nicht von einem Fenster, sondern von grell leuchtenden Stangen, die an einer hohen Decke hingen. Und neben ihr bewegte sich etwas. Sie drehte den Kopf und sah eine junge Krankenschwester an ihrem Bett stehen. Sie hielt ihre Hand, um den Puls zu messen. Hinter der Schwester hing ein schlapper grüner Vorhang und verbarg, was immer dahinter lag.
    Ein Krankenhaus.
    Die Krankenschwester war Armenierin. Oder Algerierin. Ihre Hand war warm.
    »Was ist passiert?«, fragte Audrun die hübsche algerische Krankenschwester, doch die lächelte nur, ließ Audruns Hand los, ging wieder und zog den Vorhang hinter sich zu.
    Ein Krankenpfleger mit einem freundlichen alten Gesichtbrachte ihr das Frühstück – eine Tasse Kaffee, ein nicht mehr frisches Croissant und einen winzigen Klacks Marmelade. Der Pfleger half ihr, sich im Krankenhausbett aufzurichten, damit sie essen konnte.
    »Was ist mit mir passiert?«, fragte Audrun.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte der Pfleger. »Sie sind bald wieder gesund. Möchten Sie Zucker in Ihren Kaffee?«
    Sie versuchte zu essen und zu trinken. Fand es schwierig zu schlucken. Sie dachte, sobald sie etwas kräftiger wäre, würde ihr vielleicht wieder einfallen, was genau passiert war.
     
    Sie schlief und wachte, schlief und wachte. Pinkelte in eine Bettpfanne, wobei sie sich an der Schwester festhielt. Schlief wieder mit beengter, schmerzender Brust. Das Licht über ihr veränderte sich nicht.
    Dann sah sie Marianne an ihrem Bett. Marianne sah blass und müde aus und machte ein verärgertes Gesicht.
    »Wie geht es dir?«, fragte Marianne mit ausdrucksloser Stimme.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Audrun. »Mir tut die Brust weh. Ich weiß nicht, was passiert ist. Sind die Löschflugzeuge gekommen?«
    Marianne drehte den Kopf halb weg und schien tief Luft zu holen. Dann blickte sie Audrun an und sagte: »Es ist weg. Ich bin gekommen, um es dir zu sagen. Jemand muss es dir ins Gesicht sagen. Es ist weg.«
    »Weg?«
    »Ja.«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest, Marianne.«
    »Das Mas Lunel. Es ist verbrannt. Teile der Mauern stehen noch, aber sie sind schwarz, vollkommen schwarz. Es sah aus, als würde es in der Mitte auseinanderbrechen. Ich habe so etwas noch nie in meinem Leben gesehen! Von der Hitze sind die Steine einfach … explodiert .«
    Audrun schwieg. Sie schloss die Augen. Im Geiste sah sie jetzt etwas Neues: Raoul Molezon, wie er rannte, zum Zwinger rannte und rief, er werde die Hunde retten. Und sie folgte ihm, versuchte ebenfalls zu rennen. Aber sie folgte Raoul nicht zum Zwinger; sie öffnete die beschädigte Tür vom Mas und ging hinein und stand in der Küche, wo es dunkel war, da alle Fensterläden gegen die wochenlange Hitze geschlossen waren.
    Sie legte ihre Arme auf Bernadettes Eichentisch, den sie mit aller Kraft wieder blank zu scheuern versucht hatte, den sie geschrubbt hatte, damit er wieder so schön hell wie früher würde. Dann begann sie, den schweren Tisch zu schieben und zu ziehen. Arme und Rücken taten ihr weh.
    Sie ahnte, dass sie zu leicht war, um dieses alte Möbelstück zu heben, zu geschwächt von den Jahren. Aber sie würde nicht aufgeben. Sie war Audrun Lunel. Sie würde retten, was von ihrer Mutter noch übrig war – all die Dinge, die Aramon an sich gerissen hatte und die jetzt ihr gehörten; sie würde alles hinausschaffen, bevor das Feuer kam. Sie wusste noch, dass sie laute Rufe in den Bergen und das Bellen und Jaulen der Hunde hörte, aber diese Geräusche kümmerten sie nicht …
    »Du hast Glück gehabt«, sagte Marianne knapp. »Raoul hat sein Leben riskiert, um dich herauszuholen.«
    »Sein Leben riskiert?«
    »Ja, genau. Du hattest irgendwie die Tür verrammelt. Raoul hat sich mit der Schulter dagegengestemmt, aber sie bewegte sich nicht. Das Feuer war schon gefährlich nah, sprang von Baum zu Baum. Die Feuerwehrmänner sagten, er soll da weggehen, aber das wollte er nicht. Zusammen mit einem Feuerwehrmann hat er die Tür aus den Angeln gehoben. Er hat dich hinausgetragen.«
    Audrun sah Marianne an, die immer noch ein strenges Gesicht machte. Doch das war ihr gleichgültig. Es war ihr vollkommen gleichgültig. Sie konnte nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete, als sie daran dachte, dass Raoul Molezon sein Leben riskiert hatte, um sie zu retten.
    »Er war schon immer ein guter Mensch«, sagte sie. »Schon immer.«

A ramon Lunel saß in

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