Der Unbesiegbare
schrägen Trennwand ein großes Elektronengehirn programmierte.
»Es gibt zwei Eskalationslösungen. Annihilation oder Selbstvernichtung. Alles andere läuft auf veränderte Existenzbedingungen der Wolke hinaus«, sagte Saurahan. Rohan rührte sich nicht von der Stelle. Wieder einmal stand er da und lauschte.
»Die erste beruht darauf, einen Lawinenprozeß auszulösen. Dazu braucht man einen Antimateriewerfer, der in die Schlucht fährt und dort bleibt.«
»Einer war schon dort«, sagte jemand.
»Wenn er kein Elektronengehirn hat, dann ist er selbst bei Temperaturen von mehr als einer Million Grad noch aktionsfähig. Einen Plasmawerfer braucht man dazu. Plasma ist unempfindlich gegen Sterntemperaturen. Die Wolke wird sich genauso verhalten wie früher – sie wird versuchen, ihn abzuwürgen, Resonanz zu finden in den Steuerstromkreisen, aber Stromkreise werden nicht da sein. Nichts wird sich abspielen außer einer unterschwelligen Kernreaktion. Je mehr Materie in die Reaktion einbezogen wird, um so heftiger wird sie sein. Auf diese Weise kann man die ganze Nekrosphäre des Planeten an einer Stelle zusammenfassen und annihilieren …«
Nekrosphäre, dachte Rohan. Ach so, weil diese winzigen Kristalle leblos sind. Nein, diese Wissenschaftler! Die finden doch immer einen hübschen, neuen Namen.
»Am besten gefällt mir die Variante der Selbstvernichtung«, sagte Jazon. »Aber wie stellen Sie sich das vor?«
»Na, sie beruht darauf, daß man zunächst eine getrennteKonsolidierung zweier großer ›Wolkengehirne‹ herbeiführt und sie dann zusammenstoßen läßt. Damit soll erreicht werden, daß jede Wolke die andere für einen Konkurrenten im Existenzkampf hält.«
»Schön. Aber wie wollen Sie das anfangen?«
»Es ist nicht einfach, aber immerhin möglich, sofern die Wolke nur ein Pseudogehirn ist, also unfähig, logisch zu folgern.«
»Das sicherste ist trotzdem die Veränderung der Existenzbedingungen über die Senkung der durchschnittlichen Strahlungsintensität«, sagte Sarner. »Vier Wasserstoffentladungen von fünfzig bis hundert Megatonnen pro Hemisphäre, insgesamt knapp achthundert, genügen. Das Wasser der Ozeane verdampft und verdichtet die Wolkendecke, die Albedo wächst, und die Symbionten am Boden können nicht mehr das zu ihrer Vermehrung notwendige Energieminimum an sie abgeben.«
»Diese Rechnung geht nicht auf«, wandte Jazon ein. Als Rohan sah, daß gleich ein fachlicher Streit ausbrechen würde, trat er von der Tür zurück und ging weiter.
Statt mit dem Fahrstuhl kehrte er über eine stählerne Wendeltreppe zurück, die sonst kaum benutzt wurde. Ein Stockwerk nach dem anderen blieb unter ihm. Er sah in der Reparaturhalle des Vries’ Männer mit sprühenden Schweißbrennern an den dunklen, reglosen großen Arctanen arbeiten. Von weitem bemerkte er die Bullaugen des Lazaretts, die ein gedämpftes lila Licht verbreiteten. Ein Arzt in weißem Kittel lief lautlos den Korridor entlang; ihm folgte ein kleiner Automat, der einen Satz blitzender Instrumente trug. Rohan ließ die Messen hinter sich, die leer und dunkel waren, die Klubräume, die Bibliothek, und langte schließlich in seinem Stockwerk an. Vor der Kabine des Astrogators verlangsamte er den Schritt, als wollte er auch hier lauschen; aber durch die glatte Türfläche drang kein Laut,kein Lichtstrahl, und die Bullaugen waren mit Kupfermuttern fest verschlossen. Erst in der Kabine spürte er wieder, wie müde er war. Gefühllos hingen ihm die Arme am Körper herab, er ließ sich schwer auf die Koje fallen, streifte die Schuhe von den Füßen und faltete die Hände im Nacken. So blieb er sitzen und sah zu der niedrigen, vom Nachtlämpchen nur spärlich beleuchteten, blaulackierten Decke auf, die in der Mitte einen Riß hatte.
Weder Pflichtgefühl noch Neugier auf die Gespräche und das Privatleben der anderen hatten ihn durch das Raumschiff getrieben. Er fürchtete sich einfach vor den einsamen Nachtstunden, denn dann suchten ihn Bilder heim, die er gerne vergessen hätte. Am schlimmsten verfolgte ihn die Erinnerung an den Mann, den er mit einem Nahschuß getötet hatte, damit er nicht die anderen umbrachte. Er hatte es tun müssen, aber das machte es ihm nicht leichter. Er wußte, wenn er jetzt das Licht löschte, dann müßte er jene Szene von neuem erleben, dann sähe er wieder den Mann vor sich, der mit mattem, gedankenverlorenem Lächeln dem schwankenden Weyr-Werfer in seiner Hand gehorchte und über den Toten hinwegstieg, der
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