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Der Unbesiegbare

Der Unbesiegbare

Titel: Der Unbesiegbare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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mit abgerissenem Arm auf den Steinen lag.
    Dieser Tote wäre Jarg, der zurückgekehrt und nun, nachdem er wie durch ein Wunder davongekommen war, so sinnlos starb. Sekunden später würde der andere mit in Brusthöhe zerfetztem, qualmendem Schutzanzug über dem Leichnam zusammenbrechen. Vergebens würde er sich bemühen, die Bilder zu verdrängen, die ihm immer wieder gegen seinen Willen vor Augen traten – er spürte geradezu den scharfen Ozongeruch, den heißen Rückstoß des Kolbens, den er mit schwitzenden Fingern umkrampfte, und er vernahm das Winseln der Männer, die er kurz darauf hetzend und keuchend einen nach dem anderen herbeischleppte und wie Garben band, und jedesmal ließ ihn die verzweifelteHilflosigkeit der vertrauten, jetzt gleichsam erblindeten Gesichter bis ins Innerste erschauern.
    Ein dumpfes Klappen – das Buch, das er noch in der Raumstation angefangen hatte, war heruntergefallen. Als Lesezeichen hatte er ein weißes Blatt hineingelegt, aber er hatte nicht eine Zeile gelesen, wann sollte er auch. Er streckte sich auf der Koje aus und dachte an die Strategen, die jetzt beisammensaßen und Pläne für die Vernichtung der Wolke schmiedeten, und sein Mund verzog sich zu einem geringschätzigen Lächeln. Hat ja alles keinen Sinn, dachte er. Sie wollen vernichten, wir auch, wir alle wollen jenes Etwas vernichten, aber damit retten wir niemanden. Die Regis ist unbewohnt, der Mensch hat auf ihr nichts zu suchen. Wozu also diese halsstarrige Verbissenheit? Es ist doch nicht anders, als wären die Männer bei einem Gewitter oder einem Erdbeben ums Leben gekommen. Niemandes bewußte Absicht, kein feindlich gesinnter Wille ist uns entgegengetreten. Ein lebloser Selbstorganisierungsprozeß … Lohnt es denn, die ganze Kraft und Energie daran zu verschwenden, ihn zu zerstören, und nur, weil wir ihn von vornherein für einen lauernden Feind gehalten haben, der erst den »Kondor« und dann uns aus dem Hinterhalt angefallen hat? Wie viele unheimliche, menschlichen Begriffen fremde Erscheinungen mag der Kosmos in sich bergen? Sollen wir überall mit unseren Raumschiffen landen, Vernichtungswaffen an Bord, um all das, was unser Fassungsvermögen übersteigt, zu zerschlagen? Wie haben sie es kurzerhand genannt? Nekrosphäre. Folglich auch Nekroevolution. Entwicklung toter Materie. Vielleicht könnten die Bewohner der Leier hier mitreden, die Regis iii gehörte zu ihrem Bereich. Möglich, daß sie sich auf ihr ansiedeln wollten, denn als ihre Astrophysiker die Verwandlung ihrer Sonne in eine Nova ankündigten, war das vielleicht ihre letzte Hoffnung. Wenn wir in einer solchen Lage wären,dann würden wir selbstverständlich kämpfen und die schwarze Kristallbrut ausrotten. Aber so? Ein Parsek von der Raumstation entfernt, die wieder so viele Lichtjahre von der Erde entfernt ist … Wem zuliebe hocken wir eigentlich hier und verlieren unsere Leute, weshalb suchen die Strategen nächtelang nach der besten Annihilationsmethode? Von Rache kann doch nicht die Rede sein.
    Wenn Horpach jetzt vor ihm stände, würde er ihm all das sagen. Wie tollkühn und lächerlich zugleich dieses »Siegen um jeden Preis« sei, dieses »heldenhafte Ausharren des Menschen«, diese Sucht nach Vergeltung für den Tod der Gefährten, die doch umgekommen waren, weil man selbst sie in den Tod geschickt hatte … Wir sind einfach unvorsichtig gewesen, haben zu fest auf unsere Werfer und Indikatoren gebaut. Wir haben Fehler begangen, und nun haben wir die Folgen zu tragen. Einzig und allein uns trifft die Schuld.
    All das dachte er beim schwachen Schein der Lampe mit geschlossenen Augen, die ihm brannten, als hätte sich unter den Lidern Sand angesammelt. Der Mensch – das erkannte er in diesem Augenblick – hatte die wahren Höhen noch nicht erreicht, er hatte sich die so schön bezeichnete, seit alters gepriesene galaktozentrische Idee noch nicht zu eigen gemacht, deren Sinn nicht darin bestehen konnte, nur ähnliche Wesen zu suchen und zu begreifen, sondern darin, sich nicht in fremde, außermenschliche Angelegenheiten einzumischen. Die Leere erobern, natürlich, warum nicht. Aber nicht das angreifen, was existiert, was sich in Jahrmillionen ein eigenes, unabhängiges, außer den Kräften der Strahlung und der Materie niemandem und nichts unterworfenes Gleichgewicht seiner Existenz geschaffen hat, einer tätigen Existenz, die weder besser noch schlechter ist als die Existenz der Eiweißverbindungen, die Tier oder Mensch genannt

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