Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
Vom Netzwerk:
stellenweise stark verblichenen Schaukelstuhl am Fußende des blaßgrün überzogenen Bettes.
Eine Weile starrte er vor sich hin, dann belebte sich sein Gesicht. »Ihre Freundin hat mir von Ihnen erzählt.« Seine Stimme war leise, aber kräftig. »Ich freue mich wirklich, Sie kennenzulernen.« Er lachte mit freundlichem Spott. »Sind Sie gekommen, Ihre Freundin zu beschützen?«
Lewis musterte ihn mit einer Mischung aus Mißtrauen und Bedauern.
»Erzählen Sie«, bat Randaik rasch. »Erzählen Sie Ihre Geschichte.«
Der Alte lächelte mit ernsten Augen. »Verzeihen Sie, wenn ich Sie mit meinen Sorgen belästige.«
»O nein«, erwiderte Randaik, »wir möchten erfahren, was Sie bedrückt. Es gibt kein Problem, das man nicht behandeln könnte.«
McLaughams Lächeln wanderte in seine Augen. Sein Gesicht zeigte eine gütige Ironie, als amüsiere er sich über die Altklugheit eines Kindes. »Mein Problem ist sehr einfach: Ich habe zu lange gelebt. Oder finden Sie, vierhundertfünfzig Jahre wären nicht ausreichend?«
McLaugham sprach mit so unglaublicher Selbstverständlichkeit, daß seine Worte nur geringes Erstaunen auslösten. Seine Erscheinung war nicht dazu angetan, lächelnde Empörung auszulösen. Die fünf Männer ergaben sich dem Glauben an seine natürliche Herkunft; unvorstellbar, daß sie sich tief unter der Erde befanden; unvorstellbar das alte Gemäuer; unvorstellbar der kahle Raum mit den musealen Möbeln; unvorstellbar, was sich in dieser Nacht zutrug.
Sophia füllte die Gläser nach, doch keiner der Freunde trank. Einzig McLaugham nippte an seinem Glas. Dann, als wäre es sein einziger Halt, umfaßte er es mit beiden Händen.
»Ich wurde vor etwa vierhundertfünfzig Jahren, im Jahre zweitausendundelf, in der Stadt Devonshire geboren.« McLaugham sprach leise und zögernd, als müsse er sich erst der Vergangenheit entsinnen.
Gonzales und Lewis tauschten einen Blick.
»Meine Eltern«, fuhr der Alte fort, »waren ziemlich wohlhabend und ermöglichten mir daher eine Ausbildung an den besten Universitäten der Welt. Weniger den Erfordernissen der Zeit als meinen Neigungen folgend, studierte ich Physik.«
»Dann sind wir ja Kollegen«, warf Troels überrascht ein.
McLaugham fixierte ihn. »Unter diesen Umständen dürften Sie die Tragweite meines Problems am ehesten begreifen. Sind Ihnen die Arbeiten von Freeman und Ravinsky bekannt?«
»Ich hörte von ihnen nur«, erwiderte Troels zurückhaltend. »Ihre Arbeiten werden heute als – phantastische Träumereien bezeichnet.«
»Bei welchen Ignoranten haben Sie gelernt?« Der Alte musterte Troels mitleidig und fuhr fort: »Freeman und Ravinsky waren meine Lehrer. Eine Zeitlang gehörte ich zu ihrem engsten Arbeitskreis. Doch bald schon wollte ich mehr. Meine Ideen erschienen mir kühner. Da ich meiner Forschung ohne Einschränkung frönen wollte, machte ich mich selbständig. Mein bescheidenes Vermögen sowie eine gut honorierte Privatdozentur an der Universität Oxford gestatteten mir diese Extravaganz.
Schon meine Promotionsarbeit, die das Problem der diskreten Materieübertragung in der Zeit behandelt, hatte in Fachkreisen Aufsehen erregt, wenngleich sie, ebenso wie die Arbeiten meiner Lehrer, in der bornierten akademischen Welt auf Ablehnung stieß. Trotz vieler Anfeindungen galt ich bald als vielversprechendes Talent.« McLaugham lächelte verlegen. »Einige nicht sehr seriöse Zeitschriften nannten mich – in der damals umgehenden Manie zum Superlativen – Einstein junior. Ich dachte kaum daran, meine Forschungen kommerziell zu verwerten. Vielmehr wollte ich einem Ideal dienen, der reinen Wissenschaft « McLaugham hob, wie um Einwänden vorzubeugen, eine Hand. »Heute weiß ich, daß es unter den damaligen Bedingungen reichlich weltfremd war. Doch ich fühlte mich unabhängig genug, um auf die Welt zu pfeifen.« Ein Zug von Ironie erschien auf seinem Gesicht. »Wenn man so alt geworden ist wie ich, sieht man vieles vernünftiger. Damals waren mein Mut und meine Überheblichkeit grenzenlos. Ich hatte Ehrfurcht weder vor Gott noch vor dem Teufel. Und es gelang mir, der ich an allem zweifelte, der mathematische Nachweis der Kry-Mesonen im Artmanow-Raum.« Seine Worte waren voller freundlicher Überlegenheit, als er sich an Troels wandte. »Die daraus abzuleitenden Konsequenzen sollten Ihnen klar sein, Herr Kollege.«
Um den sicheren Halt des Sessels zu spuren, lehnte sich Troels zurück. Die Geste hatte fast demonstrativen Charakter. »Ich kenne die Ideen,

Weitere Kostenlose Bücher