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Der unsichtbare Mond

Der unsichtbare Mond

Titel: Der unsichtbare Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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seinem Tod hält das Museum diese Vorgaben in Ehren, und die Forschungsbibliothek wird fünf Tage die Woche von Gelehrten und Studenten genutzt. Das Museum stellte außerdem seinen Modellraum wieder her, so dass die Öffentlichkeit nun auch die ganze Bandbreite seiner architektonischen Modelle besichtigen konnte, die gereinigt und repariert worden waren. Nachdem Tetsuo und Fuji Stunde um Stunde ehrfürchtig durch die Räume gestreift waren, trugen sie die Vision des Museums auf ihren Reisen durch Europa und Amerika mit sich, bis sie schließlich den Ort und das Gebäude fanden, wo sie es nach ihren Vorstellungen neu aufbauen konnten.
    Meredith hatte in Oxford studiert (mit Hilfe eines Stipendiums und den großen Bemühungen und liebenswürdigen Spenden ihrer Großeltern) und das Museum oft besucht. Daher konnte sie die Begeisterung der Kawaminamis gut verstehen. Der Name des Architekten lautete, nebenbei bemerkt, Sir John Soane, und das Museum hieß Soane’s und unterschied sich damit vom Namen des Kaffeehauses um genau einen Buchstaben.
    Die meisten Gäste hätten die beiden Einrichtungen niemals miteinander in Verbindung gebracht. Jenen, die es dennoch taten, ist – im Unterschied zu Meredith, die es nie übers Herz brachte, die Sache zu erwähnen – vielleicht niemals aufgefallen, dass das kleine Ehepaar den Namen falsch geschrieben hatte. Wenn Tetsuo jedoch mit jenem schmalen, höflichen japanischen Lächeln den Kaffee servierte, machte sich Meredith durchaus ihre Gedanken.
     

     
    Von außen betrachtet war das Gebäude recht unauffällig – es gab kein Schild oder eine andere Verzierung. Eine Sache jedoch war groß genug, dass sie eigentlich kein Beiwerk mehr benötigte und umgekehrt jede Konkurrenz um die Aufmerksamkeit erstickt hätte, ganz gleich an welchem Ort in der Stadt man sie errichtete: die Kuppel.
    Seit Jahren war Tetsuo von der italienischen Renaissance besessen, besonders von ihren strahlenden Söhnen Leonardo Da Vinci und seinem jüngeren florentinischen Zeitgenossen, dem Bildhauer Michelangelo Buonarotti – von ihm am meisten.
    Unter dem riesigen Vorhang, der beinahe achtzehn Meter hoch war, hatten Tetsuo und seine tüchtigen Arbeiter innerhalb von zwölf Monaten und für mehrere Millionen Dollar jenen Bau neu errichtet, auf den Michelangelo die letzten achtzehn Jahre seines Lebens verwandt hatte und für den er keine Bezahlung annehmen wollte – die Kuppel der Peterskirche in Rom. Wie die römische Kuppel, stellte auch Tetsuos eine Arbeit aus Liebe dar. Sie ruhte auf sechzehn gigantischen Säulenpaaren auf dem Dach der Essigfabrik und schwang sich mit der Linie und Anmut göttlich inspirierter Bildhauerkunst empor. Sie wäre an jedem Ort, an dem man sie erbaut hätte, eine bemerkenswerte Errungenschaft gewesen. Außerdem verstieß sie gegen etwa achtzig Bau- und Bezirksvorschriften, und das erklärte auch die Geheimnistuerei, die sie umgeben hatte, und Tetsuos Weigerung, den Vorhang vor dem Eröffnungstag zu senken. Dass es dem Bürgermeister oder dem Stadtrat niemals in den Sinn gekommen war, dass Vorhang und Gerüst für die Umgestaltung der Essigfabrik das Originalgebäude etwa um das Dreifache an Höhe überragten, war eine großmütig übergangene Peinlichkeit. Man hatte sie außer Acht gelassen, um die noch größere potentielle Peinlichkeit zu vermeiden, eine Einrichtung wegen Verletzung der Bezirksvorschriften schließen zu müssen, zu deren Eröffnung der Bürgermeister selbst die gesamte Stadt eingeladen hatte. (Später kamen die Stadtältesten in einer Versammlung, die wohl das bestgehütetste Geheimnis von St. Lawrence County darstellte, zu einer Entscheidung: Würden die Pläne für die Kuppel zufällig den Datumsstempel der Originalkonstruktion tragen – 1886 gab es noch keine Bezirksgesetze –, ließe sich ein folgenreicher Skandal vielleicht vermeiden. Die Stadt hatte mit dem Soame’s das Beste bekommen, was der Gegend seit der Wasserstraße passiert war, und so stellte es niemand in Frage. Die gemeinsamen Illusionen der Menschen sind, wie es scheint, die überzeugendsten.)
    Da Michelangelo der Ansicht gewesen war, dass alle Künste – Malerei, Bildhauerkunst und Architektur – von einer gemeinsamen Inspiration ausgingen, nämlich der Zeichnung, hatte sich Tetsuo mit religiösem Eifer daran gemacht, die Zeichenkunst zu erlernen. Wo immer er in Silvertown auftauchte, trug er ein kleines schwarzes Skizzenbuch bei sich, in das er mit einem Bleistift alles

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