Der Untergang der Hölle (German Edition)
meine Häscher getötet, obwohl sie anschließend meinen Vater und mich entweder vergaßen oder ihnen nichts daran lag, uns zu befreien. Weißt du, was passiert ist?«
»Das weiß ich nicht, jedenfalls nicht aus eigener Erinnerung. Zu der Zeit war ich in das Netz eingeklinkt. Ich kann mich wieder dorthin zurückziehen und versuchen, Zugang zu dieser Information zu erhalten, falls sie irgendwo gespeichert ist.«
»Das Netz?«
»Es ist ein System zur Aufzeichnung und zum Austausch von Informationen, zu dem man sich Zugang verschafft durch Maschinen wie die, mit der Sie mich aufgeweckt haben. Wesen wie ich, die dazu erschaffen oder umfunktioniert wurden, sind in der Lage, direkt darauf zuzugreifen.«
»Reden wir vom Internet?«
»Das hat Modell gestanden. Verdammte Menschen halfen den mit ihnen verbündeten Dämonen dabei, es zu entwickeln. Damit wurde zur Zeit Ihrer Gefangennahme begonnen, aber seitdem ist es verfeinert worden. Ich hatte eine doppelte Funktion inne: Ich wurde als Waffe geschaffen, aber auch als tragbare Informationsquelle für die Dämonensoldaten, die mich und andere meiner Art mit sich trugen. Es gibt reichlich Zugriffspunkte überall im Konstrukt, über die man den Zugang zum Netz herstellen kann.«
»Im Konstrukt?«
»Oh, Sie haben so viel verpasst. Und verpassen es noch. Scheinbar könnte ich Ihre Fragen bis ans Ende aller Zeit beantworten.«
»Hilf mir, bitte. Ich weiß, dass du ein Instrument meiner Feinde warst, aber ich will dir nichts tun. Und es tut mir leid, dass ich dich vom Netz getrennt habe. Ich wusste es nicht.«
»Das macht nichts, Madam. Ich war für lange Zeit im Netz abgetaucht, aber es ist ein angenehmer Ort, um das zu tun. Wie ein Schlaf voller Träume, mit dem Unterschied, dass es eher die Träume anderer sind, in die ich eingeweiht werde. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich freundlicherweise wieder mit dem Netz verbinden würden, wenn Sie mit mir fertig sind. Und doch wäre es auch … interessant, sich der greifbaren Welt wieder von Angesicht zu Angesicht zu stellen.«
Vee wollte das Gewehr nicht daran erinnern, dass es gar kein Gesicht besaß. Stattdessen sagte sie: »Also willst du mir eine Zeit lang helfen? Auch als Waffe, bis ich eine finde, die keine Gefühle hat?«
»Na schön. Ich bin ein Werkzeug und habe keine politische Einstellung. Ohnehin sind die Trennlinien des Großen Konflikts, die schon immer komplex waren, im Verlauf der Äonen, die er währte, immer hinfälliger geworden. Irgendwann gab es keine Armeen mehr, sondern nur noch Stämme. Ich denke aber, dass es hilfreich sein könnte, Sie zumindest in Grundzügen darüber zu unterrichten, wie die Sterblichen in den Hades gelangt sind – und wie dieser vor dem Konstrukt aussah. Denn das ist der Name, mit dem man den Hades heute bezeichnet.«
»Warum?«
»Zunächst ein paar grundsätzliche Dinge, wenn Sie erlauben. Ich weiß, dass Sie daraus keine Erkenntnisse über Ihren eigenen Eintritt ins Jenseits gewinnen werden, da Sie eine der gesegneten Anhängerinnen des Schöpfers waren und daher bei Ihrem irdischen Ableben zu einem Engel wurden. Aber ich denke, es wird dennoch lehrreich für Sie sein.
Es handelt sich um eine Aufnahme, die ich im Netz gefunden und als Datei gespeichert habe, weil … nun, weil ich sie aufschlussreich fand. Wenn mein Bewusstsein im Netz dahintreibt und ich mich von Träumen unterhalten lassen möchte, durchlebe ich diese und andere interessante Aufnahmen, die ich aufgespürt habe, neu. Sie sind wie Leuchtfische in einem Ozean, der mich trägt. Erinnern Sie sich an Ozeane?«
»Ja, aber ich verbinde damit keinerlei persönliche Erinnerungen.«
»Ach … wenn ich doch nur von mir behaupten könnte, ich hätte Ozeane erlebt. Aber das ist eine der Chancen, die mir das Netz bietet – Dinge, die ich sonst niemals kennenlernen könnte, so zu erfahren, als tauchte ich in meine eigenen Erinnerungen ab. Etwa die Sterblichkeit. Oder einen Körper zu besitzen, so wie Sie. Wenn ich mich durch das Netz bewege, benutze ich oft einen Avatar, den ich mir selbst geschaffen habe, und zwar einen Albinodelfin. Diese Kreatur hat es mir angetan. Keine Gliedmaßen und eine einfache Form wie ich, aber frei, sich nach ihrem eigenen Willen zu bewegen.«
»Das klingt, als wäre es Fluch und Segen zugleich, so zu sein wie du. Hast du manchmal genug von der Gestalt, in der du steckst?«
»Sie ist die einzige Gestalt, die ich kenne. Meist fühle ich mich vom Glück begünstigt, weil ich über
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