Der Untergang der Hölle (German Edition)
einen Zugang zum Netz verfüge. Doch sogar im für gewöhnlich friedlichen Netz schweifen manchmal beängstigende und gefährliche Wesen umher: Bewusstseine, die andere Bewusstseine überwältigen können.«
»Also, worum geht es in dieser Aufnahme, von der du glaubst, dass sie mich klüger machen wird?«
»Nur ein wenig klüger. Aber damit allein wird es nicht getan sein. Es sind die Aufnahmen der Erinnerungen eines Verdammten. Eine Mischung aus seinen Kindheitserinnerungen, seinem sterblichen Erwachsenenleben und seinem Eintritt in den Hades.«
»Wie oder warum ist das festgehalten worden?«
»Das kann ich nicht sagen. Hochrangige Dämonen mit der Fähigkeit, seinen Geist mit ihrem eigenen abzuscannen, sind dafür verantwortlich oder sie haben ihn direkt mit dem Netz verbunden und so sein Bewusstsein ausgelotet. Er könnte sich aber auch selbst einen Zugang verschafft haben. Ich bin nicht sicher, wann genau die Aufnahme ins Netz gestellt wurde. Ich weiß nur, dass sie eine lange vergangene Zeit noch vor Begründung des Konstrukts wiedergibt, als der Große Konflikt erst in der Entstehung begriffen war.«
»Na gut, und wie willst du mir das zeigen? Werde ich mit dir zusammen ins Netz gehen müssen?«
»Sie verfügen nicht über die nötige Ausstattung dazu und es gibt hier keine Werkzeuge, mit denen man Sie entsprechend ausrüsten könnte. Also werde ich Ihnen auf dem Bildschirm dieses Terminals alles zeigen, was der Mann für die Dauer der Aufnahme sah, und Sie werden alles hören, was er gehört hat. Seine Gedanken kann allerdings nur ich miterleben. Ich schlage vor, sie Ihnen während und nach der Aufnahme verbal mitzuteilen, damit Sie nichts Wesentliches verpassen.«
»Okay. Wirklich, vielen Dank.« Vee setzte sich auf den Stuhl, von dem sie die Dämonin heruntergezogen hatte, deren Kleidung sie nun trug. »Übrigens, wie soll ich dich nennen? Hast du einen Namen?«
»Nur meine Nummer, J611821.«
»Hm, das wird nicht reichen«, fand Vee. »Ich werde dich Jay nennen.«
»Wie Sie wünschen«, entgegnete das Gewehr mit teilnahmsloser Gelassenheit. Dann verschwand sein vergrößertes Auge vom ovalen Bildschirm des Computers und wurde durch Bilder aus einer fernen Vergangenheit abgelöst.
6. Endstation
D as Ende der Welt überforderte sogar die Ressourcen der Hölle. Wie es um den Himmel stand, konnte Adam nicht sagen, weil er ihn nie zu Gesicht bekommen hatte. Und das würde er auch nie.
Überall im Hades waren Portale verteilt, durch die die Verdammten hereinströmten. Sie bestanden für gewöhnlich aus einer kleinen, mit weißen Keramikfliesen ausgekleideten Kammer, in der die Verdammten mit der illusorischen körperlichen Gestalt materialisierten, in der sie den Rest der Ewigkeit zubringen würden. Diese Kammern beförderten normalerweise nur eine Seele gleichzeitig in die Unterwelt. Sie verfügten über eine Metallluke mit einem Rad in der Mitte. Dieser Ventilreifen drehte sich, öffnete die Luke und einer oder mehrere Dämonen packten die neu angekommene Seele und schleppten ihn oder sie in eine neue Wirklichkeit hinaus, die gnädigerweise eine große Zahl von ihnen direkt in den Wahnsinn trieb.
Danach reihten die Verdammten sich in lange Schlangen ein, an deren Ende einige Verwaltungsdämonen mit schwarzen, an Gottesanbeterinnen erinnernden Körpern und knolligen, krakengleichen Köpfen saßen. Ihre gelb glühenden Augen bohrten sich ins tiefste Innere jeder Person, die vor sie gebracht wurde. Vielleicht handelte es sich bei ihnen um Volkszähler oder Schriftwarte oder sie richteten über die Toten, denn nach ihrer Prüfung wurde jedem Gefangenen ein Buchstabe in die Stirn gebrannt, der das Hauptverbrechen kennzeichnete, für das er verdammt worden war.
Dann wurden die Neuankömmlinge in der schwarzen Uniform, die man ihnen gegeben hatte, in Züge getrieben, die sie zu einer Einrichtung transportierten, in der sie für das Dasein im Hades geschult wurden und lernten, sich selbst zu hassen und zu verurteilen. Nachdem sie das Höllencollege erfolgreich absolviert hatten, wurden ihre Seelen laufen gelassen, um durch die grenzenlose Landschaft des Hades zu irren; zum Schein frei, doch letzten Endes lediglich mit der Freiheit ausgestattet, mal die einen, mal die anderen Untiefen ihres Leidens zu erkunden.
Doch als die Welt zerstört wurde, strömten zu viele Seelen gleichzeitig in den Hades, als dass man sich eine so laxe Abwicklung noch hätte erlauben können.
Zuerst konnte sich Adam noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher