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Der Untergang der Hölle (German Edition)

Der Untergang der Hölle (German Edition)

Titel: Der Untergang der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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eine gewaltige Stadt auf, deren höchste Turmspitzen sich in das glühende Dach aus Magma bohrten und darin verschwanden.
    Und dann waren da die Kreaturen, die Wesen, die den breiten und scheinbar endlosen Strom aus nackten, schluchzenden Menschen flankierten und antrieben. Sie waren allesamt etwas kleiner als Adam, ähnelten riesigen Albinoheuschrecken mit gefalteten Flügeln, die auf ihrem hintersten Beinpaar liefen, während ihre vorderen Gliedmaßen schwarze Eisenspeere oder verschiedene Arten von Knüppeln hielten. Diese benutzten sie, um die Menschen durch Drohen und Stoßen vor sich herzutreiben. Die Insektenwesen hatten zwei kleine Hörner auf ihren Köpfen, ihre Gesichter waren ausdruckslose Knochenmasken, aus denen seelenlose Augen stumpfsinnig hervorglühten wie rosafarbene Glaskugeln.
    Als er die Dämonen sah, begriff Adam. Sie waren keine Überlebenden, aber auch nicht wirklich tot.
    Wie die meisten Amerikaner verfolgte Adam den Beginn des Jüngsten Tages im Fernsehen.
    Man wusste nicht genau, wer die gleichzeitigen Explosionen in Washington, New York, Chicago und Los Angeles ausgelöst hatte, doch es stand außer Frage, dass es sich um Terroristen handelte. Wahrscheinlich setzten sie dafür nukleare Waffen ein, die in den Kofferräumen von Autos, in Rucksäcken, versteckt worden waren. Offenbar waren in anderen Ländern weitere Bomben gezündet worden. Nachdem es einmal angefangen hatte, wurde es schwer, den Überblick darüber zu behalten, wer was tat.
    Als der Terror dann richtig ins Rollen kam, es kein Zurück und nichts mehr zu verlieren gab, schien jeder, der Raketen einsetzen konnte, sie auf Feinde abzuschießen, die er schon immer am liebsten hatte angreifen wollen. Pakistan beispielsweise feuerte sein komplettes Arsenal auf Indien ab, aber nicht bevor Indien seinerseits sichergestellt hatte, dass Pakistan vom Antlitz der Erde verschwand. Was anfangs noch von Politik und Religion getrieben wurde, verwandelte sich gegen Ende in blanke Boshaftigkeit. Und in die verzweifelte Bemühung, wenigstens nicht alleine unterzugehen. Adam hatte davon gelesen, dass Ertrinkende sich kurz vor dem Erstickungstod gerne aneinanderklammerten.
    (Al-Suyuti, ein Kommentator des Korans aus dem 15. Jahrhundert, hatte über das Paradies geschrieben: »Der Penis der Auserwählten wird nie erschlaffen … Jeder der Erwählten wird mit 70 Huris verheiratet sein, zusätzlich zu den Frauen, die er auf Erden zum Weibe genommen hat, und eine jede von ihnen wird eine köstliche Vagina feilbieten.« Doch bald standen die terroristischen Märtyrer im Hades neben ihren Opfern in der Schlange und sahen sich bestürzt um, als ob sie sagen wollten: »Hey – wo sind die köstlichen Vaginas?« Woraufhin sie meist der Eisenspieß eines Dämons in ihre männlichsten Teile traf.)
    Während er zuschaute, wie eine wachsende Zahl von Fernsehsendern nur noch statisches Rauschen sendete, hörte Adam draußen, weit entfernt, aber unverkennbar, Gewehrsalven. Jetzt, da es nichts mehr zu verlieren gab, wurden seit Langem schwelende Feindseligkeiten zweifellos auch in einem häuslicheren Rahmen ausgetragen. Nachbarn erschossen Nachbarn, über die sie sich schon lange geärgert hatten. Ehefrauen zogen ihre Männer aus dem Verkehr, die sie seit geraumer Zeit misshandelten.
    Adam hatte seine Schwester angerufen. Sie hatten miteinander geredet und zusammen geweint. Er versprach ihr, wieder anzurufen, fragte sich jedoch, ob ihm das möglich sein oder er überhaupt die Kraft dazu aufbringen würde. Dann meldete er sich bei seiner Mutter. Sie heulte auf eine sanftere, schicksalsergebenere Art. Ihre Stimme klang verwaschen und schwach, als ob sie bereits verbrannt wäre und er nur noch mit ihrem Geist kommunizierte.
    Während des Telefonats zog ein Bild so lebhaft an seinem inneren Auge vorüber, wie ein Blitz der Erinnerung durch ein sterbendes Bewusstsein zuckt. Er stand als kleines Kind neben ihrem Schaukelstuhl und wickelte eine Strähne ihres Haars wieder und wieder um seinen Finger, während sie fernsah. Damals war ihr Haar lang und dunkel gewesen. Jahre später hatte auch seine Frau die Angewohnheit lieb gewonnen, sich von ihm geistesabwesend eine Strähne des langen, dunklen Haars um einen Finger wickeln zu lassen. Zumindest zu der Zeit, als sie noch irgendeine Form von Zuneigung für ihn empfand.
    Wenigstens würde seine Mutter am Ende mit Adams jüngerem Bruder zusammen sein. Auch mit ihm sprach er kurz. Sie bemühten sich, ihre Stimmen tapfer und

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