Der Untergang der Hölle (German Edition)
ruhig klingen zu lassen, aber Adam entging nicht, dass sich die Stimme seines Verwandten überschlug, als er ankündigte, sich später noch einmal melden zu wollen. Genau wie seine Schwester spürte er, dass dies ihre letzte Unterhaltung war.
Die Bostoner Fernsehsender fielen nacheinander aus. Adam wohnte in Eastborough, Massachusetts. Er zog einen der Vorhänge beiseite, um in den Himmel des späten Nachmittags zu blicken. Wirkte der Sonnenuntergang nicht unnatürlich rot und zerfasert hinter den Silhouetten der Kirchtürme?
Adam spürte eine Benommenheit, die der müden Schicksalsergebenheit seiner Mutter zu gleichen schien. Waren die letzten paar Jahre für ihn nicht ohnehin ein sich endlos hinziehendes, persönliches Armageddon gewesen? Vor zwei Jahren hatte seine Frau die Scheidung vorgeschlagen. Es hatte schon immer Streit gegeben, doch als Hauptgrund führte sie an, dass sie Kinder wollte (und es hatte sich herausgestellt, dass Adam unfruchtbar war).
Er verdächtigte sie jedoch, eine Affäre mit einem Arbeitskollegen zu haben. Also tat er eines Nachts so, als würde er zur Frühschicht aufbrechen, blieb aber in seinem Auto sitzen und beobachtete das Haus von der Straße aus. Nachdem er sah, wie die verdächtige Person hereingelassen wurde, hatte Adam noch kurz gewartet und war dann ebenfalls ins Haus gegangen. Dort sah er, wie seine Frau ihren Kollegen mit einer Sexualpraktik verwöhnte, an der ihre köstliche Vagina nicht beteiligt war und die mit absoluter Sicherheit nicht der Zeugung von Kindern diente.
Er wollte das Haus behalten, also hatte er eine Umschuldung vorgenommen und dadurch zusätzliche 50.000 Dollar aufgebracht, um seiner Frau ihren Anteil auszahlen zu können. Später jedoch bekam er Schwierigkeiten, die monatlichen Raten der Hypothek zu tilgen, die sich auf fast 2000 Dollar beliefen. Nach einem weiteren Jahr wurde ihm klar, dass er das Handtuch werfen musste.
Da die Lage am Immobilienmarkt schlecht war, schien die beste Lösung ein sogenannter short sale zu sein, bei dem ein Makler mit dem Kreditinstitut die Übernahme und Weiterveräußerung des Hauses vereinbarte und Adam damit von seinen Restschulden befreite (was zugleich einen Verkaufsgewinn unmöglich machte), bevor es zur Zwangsversteigerung kam. Adam war bereits in eine kleine Wohnung in der Stadt umgezogen.
Er war davon ausgegangen, der Verkauf würde höchstens einen oder zwei Monate in Anspruch nehmen, aber nun war schon ein Dreivierteljahr vergangen, ohne dass der Short-Sale-Makler ein Angebot für das Haus erhalten hatte, das die Bank zufriedenstellte. Und während all dieser Zeit hatte Adam nur einen Bruchteil seiner Sachen vom Haus zu einem gemieteten Lagerraum gebracht. Dort sah es immer noch so aus, als würde er dort wohnen. Morgen würde er sich darum kümmern. Oder spätestens nächste Woche. Sein Leben war in Bruchstücken auf das Haus, seine Wohnung und die mit einem Vorhängeschloss gesicherte Abstellkammer verteilt.
Noch schlimmer war, dass er und seine Frau einen gemeinsamen Vierbeiner hatten, eine schöne weiße Akitahündin mit schwarzer Zeichnung. Sie war im Allgemeinen ein sanftes, liebevolles Tier, aber sie war immer noch ein Akita. Als der neue Freund seiner Frau die Hündin einmal neckte, indem er ihr eine Traube vor der Nase wegschnappte, hatte sie ihn gebissen. Die Wunde musste genäht werden. Der Freund ließ nicht zu, dass Adams Frau die Hündin behielt, also nahm Adam sie bei sich auf, solange er das Haus noch hatte. Er konnte sie jedoch nicht in seine Wohnung mitnehmen. Ebenso wenig konnte er in der ganzen Umgebung eine erschwingliche Wohnung finden, in der er einen großen Hund hätte halten dürfen. Also hatte sie die gesamten neun Monate weiter in dem verlassenen Haus gelebt, während Adam E-Mails schrieb und herumtelefonierte, um jemanden aufzutreiben – ein Tierheim, irgendeine Tierschutzorganisation –, der sie so lange aufnehmen würde, bis sich ein neues Zuhause für sie fand.
Da die Hündin eine gewalttätige Vergangenheit hatte, wollte niemand dieses Risiko eingehen. Also ging Adam zweimal am Tag, morgens und abends, zu seinem Haus und ging mit ihr Gassi, damit sie ihr Geschäft verrichten konnte. Er blieb meistens, bis er etwas Wäsche gewaschen und ihre Futter- und Wassernäpfe aufgefüllt hatte, dann ließ er sie wieder allein, bis auf ein eingeschaltetes Radio, das ihr Gesellschaft leisten sollte. Oft schnappte sie sich dann eins ihrer zerfledderten Spielzeuge und tobte allein
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