Der Untergang der Shaido
Sedai, Duhara. Soll man mich zu Asche verbrennen, wenn ich das ungestraft dulde!«
Duharas Mund wurde so verkniffen, dass ihre Lippen wie Schlitze erschienen. »Denkt nach, und Ihr werdet die Realität Eurer Situation erkennen«, sagte sie schließlich. »Denkt gründlich nach, Elayne. Eine Blinde könnte sehen, wie sehr Ihr mich braucht, und den Segen der Weißen Burg. Wir sprechen später noch einmal. Lasst mich zu meinen Gemächern bringen. Ich bin mehr als bereit für mein Bett.«
»Ihr werdet Euch ein Zimmer in einem Gasthaus suchen müssen, Duhara. Jedes Bett im Palast wird bereits von drei oder vier Personen benutzt.« Und wenn Dutzende von Betten frei gewesen wären, hätte sie Duhara keines angeboten. Sie drehte sich um, ging zum Kamin und wärmte sich die Hände. Die vergoldete Pendeluhr auf dem Marmorsims schlug drei Mal. Vielleicht noch einmal so viele Stunden bis Sonnenaufgang. »Deni, lasst Duhara von jemandem zum Tor geleiten.«
»So einfach werdet Ihr mich nicht los, Kind. Niemand wird die Weiße Burg einfach los. Denkt nach, und Ihr werdet einsehen, dass ich Eure einzige Hoffnung bin.« Seide raschelte auf Seide, als sie das Zimmer verließ, und die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Es war durchaus nicht unwahrscheinlich, dass Duhara Ärger machen würde, nur um dann gebraucht zu werden, aber ein Problem nach dem anderen.
»Hat sie Zweifel in euch geweckt?«, sagte Elayne und wandte sich vom Feuer ab.
»Nein«, erwiderte Sumeko. »Vandene und die anderen beiden akzeptieren Euch als Aes Sedai, also müsst Ihr eine sein.« Ihre Stimme verriet feste Überzeugung, andererseits hatte sie genügend Gründe, es glauben zu wollen. Wenn Elayne eine Lügnerin war, waren ihre Träume gestorben, zur Burg zurückzukehren oder sich der Gelben Ajah anzuschließen.
»Aber diese Duhara glaubt, die Wahrheit gesagt zu haben.« Ahse breitete die Hände aus. »Ich sage nicht, dass ich an Euch zweifle. Das tue ich nicht. Aber die Frau glaubt daran.«
Elayne seufzte. »Die Situation ist… kompliziert.« Das war so, als würde man sagen, Wasser ist nass. »Ich bin Aes Sedai, aber Duhara glaubt es nicht. Sie kann es nicht, weil sie dann zugeben müsste, dass Egwene al'Vere wirklich der Amyrlin-Sitz ist, und das wird Duhara nicht tun, bevor Elaida gestürzt ist.« Sie hoffte, dass Duhara es dann glauben würde. Oder es zumindest akzeptierte. Die Burg musste wieder geeint werden. »Sumeko, werdet Ihr den Kusinen befehlen, in der Gruppe zusammenzubleiben? Immer?« Die stämmige Frau murmelte ihre Zustimmung. Im Gegensatz zu Reanne hatte Sumeko kein Gespür für die Führung, und sie gefiel ihr auch nicht. Bedauerlich, dass keine ältere Kusine gekommen war, um ihr die Last abzunehmen. »Alise, Ihr sorgt dafür, dass sie gehorchen?« Alises Zustimmung kam schnell und energisch. Sie wäre die perfekte Kandidatin gewesen, hätten die Kusinen ihre Rangordnung nicht durch das Alter entschieden. »Dann haben wir getan, was wir können. Ihr solltet schon lange im Bett liegen.«
»Ihr auch«, sagte Alise, als sie aufstand. »Ich könnte Melfane kommen lassen.«
»Es ist nicht notwendig, auch ihr den Schlaf zu rauben«, sagte Elayne hastig. Und entschieden. Melfane war klein und stämmig, eine fröhliche Frau, die gern lachte, aber auch in anderer Hinsicht anders als ihre Tante war. Doch fröhlich oder nicht, die Hebamme war eine Tyrannin, die es nicht mit Wohlgefallen zur Kenntnis nehmen würde, dass sie noch wach war. »Ich schlafe, wenn ich kann.«
Nachdem sie weg waren, ließ sie Saidar los und nahm ein Buch aus dem Stapel auf der zweiten Kommode, wieder einmal eine Geschichte Andors, aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Ohne die Macht war ihr mürrisch zumute. Sollte sie doch zu Asche verbrennen, sie war so müde, dass sich ihre Augen wie mit Sand gefüllt anfühlten. Aber ihr war klar, dass, wenn sie sich hinlegen würde, sie nur bis zum Sonnenaufgang an die Decke starren würde. Sie hatte die Seite nur wenige Minuten angestarrt, als Deni erneut eintrat.
»Meister Norry ist hier, meine Lady, mit diesem Hark.
Sagte, er hätte gehört, dass Ihr noch wach seid, und ob Ihr wohl ein paar Minuten Zeit für ihn hättet?«
Er hatte gehö rt, dass sie noch wach war? Wenn er sie bespitzeln ließ…! Die Bedeutung durchbrach ihre mürrische Stimmung. Hark. Er hatte Hark nicht mehr seit diesem ersten Besuch mitgebracht, und das war vor zehn Tagen gewesen. Nein, jetzt elf Tagen. Verdrossenheit wich Überschwänglichkeit. Sie
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