Der Untergang der Shaido
der schweren Stürme, die Caemlyn in letzter Zeit heimgesucht hatten, hätte selbst ein Wagen sich davonstehlen können.
Eine dichte Kolonne aus Männern, zehn oder zwölf nebeneinander, zog sich über den Königinnenplatz, ohne dass ihr Ende sichtbar gewesen wäre, Reiter mit Helmen und Harnischen wechselten sich mit Männern mit allen vorstellbaren Helmen ab, die Hellebarden geschultert trugen; die meisten von ihnen besaßen Kettenhemden oder mit Stahlplatten benähte Wämser, nur vereinzelt sah man Harnische. Jede kleine oder große Gruppe wurde vom Banner ihres Hauses angeführt. Oder dem Banner einer Söldnertruppe. Heute würde es für die Söldner zu viele Beobachter geben, um sich zu drücken. Rechnete man die Armbrustmänner und Bogenschützen ab, umfasste die Kolonne etwa zwölftausend Mann, zwei Drittel davon beritten. Wie viele davon würden noch vor dem Mittag tot sein? Birgitte verdrängte den Gedanken. Sie brauchte jeden Einzelnen von ihnen, um das Meervolk zu überzeugen. Jeder Mann, der heute starb, konnte genauso gut morgen auf der Mauer sterben. Jeder von ihnen war mit der Bereitschaft nach Caemlyn gekommen, für Elayne zu sterben.
An der Spitze der Kolonne waren mehr als tausend Gard isten, deren Helme und Harnische in der Sonne funkelten, die Lanzen mit den Stahlspitzen präzise schräg ausgerichtet; die ersten warteten am Rand eines Parks hinter dem Banner von Andor, dem Weißen Löwen auf scharlachrotem Feld, und Elaynes Banner, der Goldenen Lilie auf blauem Grund. Jedenfalls war es einst ein Park gewesen, aber Hunderte von uralten Eichen waren gefällt und zusammen mit den anderen Bäumen und blühenden Büschen weggeschafft worden, ihre Wurzeln waren ausgegraben worden, um einen hundert Schritte breiten, ebenen Platz zu schaffen. Die Kieswege und der Rasen waren schon vor langem von Hufen und Stiefeln zu Schlamm zertrampelt worden. Drei andere Parks in Palastnähe hatten die gleiche Behandlung erfahren, um Orte für das Weben von Wegetoren zu schaffen.
Guybon und Dyelin waren bereits da, zusammen mit all den Lords und Ladys, die Elaynes Ruf gefolgt waren, vom jungen Perival Mantear bis zu Brannin Martan und seiner Gemahlin, und sie alle saßen im Sattel. Perival trug wie jeder der anwesenden Männer Helm und Harnisch. Brannins waren schlicht und stumpf und leicht eingebeult, wo der Hammer des Waffenschmieds nicht gut gearbeitet hatte. Perivals waren so vergoldet wie Conails und Branlets, bei ihm hatte man den Silbernen Amboss von Mantear eingearbeitet, während die ihren mit Northans Schwarzen Adlern und Gilyards Roten Leoparden bemalt waren. Hübsche Rüstungen, die repräsentierten. Birgitte hoffte, dass die Frauen genug Verstand hatten, diese Jungen aus den Kampfhandlungen herauszuhalten. Sie schaute in einige der grimmigen und entschlossenen Gesichter der Frauen und hoffte, dass sie genug Verstand hatten, sich selbst herauszuhalten. Wenigstens trug keine ein Schwert. Es war nun einmal so, eine Frau musste geschickter als ein Mann sein, um ihm mit dem Schwert gegenüberzutreten. Sonst machten kräftigere Arme zu viel Unterschied. Viel besser, einen Bogen zu benutzen.
Die Windsucherinnen verzogen das Gesicht, als sie mit nackten Füßen auf dem Boden standen, der von dem gestrigen Schauer noch schlammig war. An Nässe waren sie mehr als gewohnt, aber nicht an Schlamm.
»Dieser Mann sagt mir nicht, wo das Wegetor hinführen soll«, sagte Chanelle wütend und zeigte auf Guybon, als Birgitte vom Pferd stieg. »Ich will es hinter mich bringen, damit ich meine Füße waschen kann.«
»Meine Lady!«, ertönte da eine Frauenstimme aus dem hinteren Teil der Straße. »Meine Lady Birgitte!« Reene Harfor rannte die Reihe der Gardisten entlang, die roten Röcke geschürzt, die bestrumpften Beine bis zu den Knien entblößt. Birgitte glaubte nicht, die Frau jemals auch nur im Laufschritt gesehen zu haben. Frau Harfor gehörte zu jenen Frauen, die alles perfekt machten. Bei jeder Begegnung rief sie Birgitte sämtliche Fehler ins Gedächtnis, die sie je begangen hatte. Zwei Männer in roten und weißen Livreen rannten hinter ihr her und schleppten eine Trage. Als sie näher kamen, sah Birgitte, dass darauf ein schlaksiger, helmloser Gardist lag, dessen rechter Arm von einem Pfeil durchbohrt wurde, während in seinem rechten Oberschenkel ein weiterer steckte. Blut tropfte beide Schäfte herab; er hinterließ eine dünne rote Spur auf dem Pflaster. »Er bestand darauf, sofort zu Euch oder Hauptmann
Weitere Kostenlose Bücher