Der Untergang der Shaido
schüttelte den Kopf und wandte sich wieder dem Spiel zu. Sie starrte Karede und seine Begleiter mit purem Hass an. Auf einer anderen Decke lag ein knorriger alter Bursche mit langem weißen Haar neben einem erstaunlich hässlichen Jungen und spielte mit ihm auf einem roten, mit einem schwarzen Spinnennetz versehenen Tuch irgendein Spiel. Sie setzten sich auf, der Junge betrachtete die Ogier voller Interesse, der Mann hielt eine Hand so, als wollte er nach einem Messer unter dem Mantel greifen. Ein gefährlicher Mann - und misstrauisch. Vielleicht war er Merrilin.
Zwei Männer und zwei Frauen hatten zusammen auf Lagerstühlen gesessen und sich unterhalten, als Karede herangeritten war, aber als er aus dem Sattel stieg, stand eine Frau mit strengem Gesicht auf und richtete den Blick ihrer blauen Augen fast schon herausfordernd auf ihn. An einem breiten Ledergürtel quer über der Brust trug sie ein Schwert, nach der Art von Seeleuten. Ihr Haar war kurz geschnitten, statt nach der Mode des Niederen Bluts gehalten, ihre Fingernägel waren kurz und nicht lackiert, aber er war sich sicher, dass es sich bei ihr um Egeanin Tamarath handelte. Neben ihr stand ein Mann mit ebenso kurzem Haar und einem dieser seltsamen Illianerbärte, die eine Hand auf den Griff eines Kurzschwerts gelegt, und er starrte Karede an, als wollte er ihre Herausforderung unterstützen. Eine hübsche Frau mit dunklem, taillenlangen Haar und dem gleichen Rosenknospenmund wie der Taraboner stand auf, und einen Augenblick lang hatte es den Anschein, als wollte sie knien oder sich zu Boden werfen, aber dann nahm sie die Schultern zurück und sah ihm direkt in die Augen. Der letzte Mann, ein schmaler Bursche mit einer seltsamen roten Mütze, der aus dunklem Holz geschnitzt zu sein schien, lachte laut und warf die Arme um sie. Das Grinsen, das er Karede schenkte, konnte man nur als triumphierend bezeichnen.
»Thom«, sagte Delovinde, »das ist Furyk Karede. Er will mit dem Mann sprechen, der sich Thom Merrilin nennt.«
»Mit mir?« Der weißhaarige Mann stand unbeholfen auf. Sein rechtes Bein schien etwas steif zu sein. Vielleicht eine alte Kriegsverletzung? »Aber ich nenne mich nicht Thom Merrilin. Das ist mein Name, obwohl es mich überrascht, dass Ihr ihn kennt. Was wollt Ihr von mir?«
Karede nahm den Helm ab, aber bevor er etwas sagen konnte, eilte eine hübsche Frau mit großen braunen Augen heran, der zwei andere folgten. Alle drei hatten diese Aes Sedai-Gesichter, in der einen Minute sahen sie wie zwanzig aus, in der nächsten doppelt so alt, in der dritten irgendwo in der Mitte. Es war sehr verwirrend.
»Das ist Sheraine!«, rief die hübsche Frau und starrte Mylen an. »Lasst sie frei!«
»Ihr versteht nicht, Joline«, sagte eine der Frauen in ihrer Begleitung wütend. Mit ihren schmalen Lippen und der schmalen Nase sah sie aus, als könnte sie Steine zerkauen.
»Sie ist nicht mehr Sheraine. Sie hätte uns verraten, bei der ersten Gelegenheit.«
»Teslyn hat Recht, Joline«, sagte die dritte Frau. Eher ansehnlich als hübsch fiel ihr langes schwarzes Haar bis hinunter zur Taille. »Sie hätte uns verraten.«
»Ich glaube das nicht, Edesina«, fauchte Joline. »Ihr werdet sie sofort freilassen«, sagte sie zu Melitene, »oder ich .. .« Plötzlich keuchte sie auf.
»Ich habe es Euch gesagt«, sagte Teslyn bitter.
Ein junger Mann mit einem breitkrempigen schwarzen Hut galoppierte auf einem dunklen Fuchs mit breiter Brust heran und sprang aus dem Sattel. »Was ist hier verdammt noch mal los?«, wollte er wissen und ging auf das Lagerfeuer zu.
Karede ignorierte ihn. Die Hochlady Tuon war neben dem jungen Mann geritten, auf einem schwarz-weißen Pferd. Selucia war an ihrer Seite, auf einem Falben, den Kopf mit einem scharlachroten Tuch umwunden, aber er hatte nur Augen für die Hochlady. Kurzes schwarzes Haar bedeckte ihren Kopf, aber dieses Gesicht war unverwechselbar. Sie warf ihm nur einen ausdruckslosen Blick zu, bevor sie sich wieder auf den jungen Mann konzentrierte. Karede fragte sich, ob sie ihn erkannt hatte. Vermutlich nicht. Es war lange her, seit er in ihrer Leibwache gedient hatte. Er sah nicht über die Schulter, aber er wusste, dass die Zügel von Ajimburas Fuchs jetzt von einem der Wächter gehalten wurden. Scheinbar unbewaffnet und ohne seinen auffälligen Zopf dürfte er kein Problem haben, das Lager zu verlassen. Die Wachtposten würden den kleinen Mann nie zu Gesicht bekommen. Ajimbura war ein guter Läufer und
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