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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Vetter verheiraten und ihr die Hälfte seiner Besitztümer vererben. Hierüber herrschte, als er abgegangen war, laute Freude bei dem Mädchen und ihrer Pflegemutter, der braven Pächtersfrau.
    »Wer ist denn die schreckliche Person?« fragte Diederich, bevor er es bedacht hatte. Frau von Wulckow war erstaunt.
    »Es ist doch die komische Alte vom Stadttheater. Wir hatten sonst niemand für die Rolle; aber meine Nichte spielt ganz gern mit ihr.«
    Und Diederich erschrak; mit der schrecklichen Person hatte er die Nichte gemeint. »Das Fräulein Nichte ist ganz reizend«, beteuerte er schnell und blinzelte entzückt nach dem dicken roten Gesicht, das gleich auf den Schultern saß — und es waren Wulckows Schultern! »Talent hat sie aber auch«, setzte er der Sicherheit wegen hinzu. Frau von Wulckow wisperte: »Passen Sie nur auf« — und da kam aus der Kulisse Assessor Jadassohn. Welch eine Überraschung! Er hatte ganz neue Bügelfalten und trug in seinem imposant geschweiften Cutaway eine riesenhafte Plastronkrawatte mit einem roten Funkelstein von entsprechendem Umfang. Aber sosehr der Stein auch funkelte, Jadassohns Ohren überstrahlten ihn. Da sein Kopf frisch geschoren und sehr platt war, standen die Ohren frei heraus und beleuchteten wie zwei Lampen seine festliche Pracht. Er spreizte die gelb behandschuhten Hände, als plädierte er für viele Jahre Zuchthaus; und tatsächlich sagte er der Nichte, die geradezu konsterniert schien, und der heulenden komischen Alten die peinlichsten Dinge... Frau von Wulckow wisperte: »Er ist ein schlechter Charakter.«
    »Und ob«, sagte Diederich mit Überzeugung.
    »Kennen Sie denn mein Stück?«
    »Ach so. Nein. Aber ich sehe schon, was er will.«
    Nämlich Jadassohn, der der Sohn und Erbe des alten Grafen Kunze war, hatte gelauscht und war durchaus nicht gesonnen, die Hälfte seiner ihm von Gott verliehenen Besitztümer an die Nichte abzutreten. Er verlangte gebieterisch, daß sie augenblicklich das Feld räume; widrigenfalls er sie als Erbschleicherin verhaften und Kunze entmündigen lassen werde.
    »Das ist eine Gemeinheit«, bemerkte Diederich. »Sie ist doch seine Schwester.« Die Dichterin erklärte ihm: »Nun ja. Aber andererseits hat er recht, wenn er ein Fideikommiß aus den Gütern machen will. Er arbeitet eben für das ganze Geschlecht, mag auch der einzelne zu kurz kommen. Für die heimliche Gräfin ist das natürlich tragisch.«
    »Wenn man es recht bedenkt —«, Diederich war hocherfreut. Dieser aristokratische Gesichtspunkt kam auch ihm selbst zustatten, wenn er keine Neigung fühlte, Magda bei ihrer Verheiratung am Geschäft zu beteiligen.
    »Frau Gräfin, Ihr Stück ist erstklassig«, sagte er, durchdrungen. Aber da zog Frau von Wulckow ihn angstvoll am Arm: im Publikum entstanden Geräusche, es scharrte, schnupfte sich aus und kicherte. »Er übertreibt«, stöhnte die Dichterin. »Ich habe es ihm immer gesagt.«
    Denn Jadassohn führte sich wirklich unerhört auf. Die Nichte samt der komischen Alten klemmte er hinter den Tisch ein und füllte mit den tobenden Bekundungen seiner gräflichen Persönlichkeit die ganze Bühne. Je mehr das Haus ihn mißbilligte, desto herausfordernder lebte er dort oben sich aus. Jetzt zischte man sogar; ja, mehrere wandten sich nach der Tür um, hinter der Frau von Wulckow bebte, und zischten. Vielleicht geschah es nur, weil die Tür kreischte — aber die Dichterin fuhr zurück, sie verlor den Zwicker und tastete in hilflosem Entsetzen durch die Luft, bis Diederich ihn ihr zurückbrachte. Er versuchte, sie zu trösten. »Es hat nichts zu sagen, Jadassohn geht doch hoffentlich bald ab?« Sie horchte durch die geschlossene Tür. »Ja, Gott sei Dank«, plapperte sie, und die Zähne schlugen ihr aufeinander. »Jetzt ist er fertig, jetzt flieht meine Nichte mit der komischen Alten, und dann kommt Kunze wieder mit dem Leutnant, wissen Sie.«
    »Ein Leutnant spielt auch mit?« fragte Diederich achtungsvoll.
    »Ja, das heißt, er ist noch auf dem Gymnasium, er ist ein Sohn des Herrn Landgerichtsdirektors Sprezius: der arme Verwandte, wissen Sie, den der alte Graf seiner Tochter zum Mann geben will. Er verspricht dem Alten, daß er die heimliche Gräfin in der ganzen Welt suchen wird.«
    »Sehr begreiflich«, sagte Diederich. »Es liegt in seinem eigenen Interesse.«
    »Sie werden sehen, er ist ein edler Mensch.«
    »Aber Jadassohn, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Frau Gräfin, den hätten Sie nicht mitspielen lassen

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