Die Büro-Alltags-Bibel
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Einleitung
Alle Tage wieder …
212 Tage. So viele Werktage verbringt der deutsche Arbeitnehmer durchschnittlich an seinem Arbeitsplatz. Und für rund 17 Millionen Menschen in Deutschland ist das: ein Büro.
Ich bin einer davon – und Sie vermutlich auch, sonst hätten Sie dieses Buch womöglich gar nicht erst aufgeschlagen. Mit dem Wort
Büro
assoziieren wir allesamt völlig unterschiedliche Erwartungen und Gefühle. Für die einen ist es der Ort, an dem sie zwischen Beruf und Berufung oszillieren, für andere ist es schlicht das unselige Gegengewicht, das ihre Lebenswaage und damit die gern zitierte Work-Life-Balance regelmäßig aus dem Lot wippt. Und viele fragen sich dann: Was mach ich hier eigentlich?
Gute Frage. Was machen wir eigentlich in den uns zugeteilten vier Wänden? Wir analysieren und archivieren, wir debattieren, fabrizieren, optimieren und organisieren, wir produzieren, programmieren, präsentieren, provozieren, reflektieren, resignieren, sanieren, sabotieren, simulieren, spekulieren, taktieren, telefonieren und theoretisieren – acht bis neun Stunden täglich. Mindestens. Damit ist unser Arbeitsplatz aber nicht nur ein enorm einnehmender Lebensraum – ganz oft ist er auch ein veritables Krisengebiet, das unser Verhalten, unsere Psyche und sogar die Gesundheit entscheidend beeinflussen kann. So machen beispielsweise Großraumbüros laut einer australischen Studie viele Menschen mehrheitlich krank: Die Mitarbeiter leiden unter »Reizüberflutung, Verlust von Privatsphäre, Identitätsverlust, niedriger Produktivität und geringer Zufriedenheit«, so der Studienleiter Vinsh Oommen. Außerdem würden sich die Kollegen bei kranken Nachbarn schneller anstecken.
Wie sehr die Büroarchitektur zum allgemeinen Wohlbefinden beiträgt, offenbart auch eine Umfrage der Marktforscher von ICM Research unter rund 2000 europäischen Bürokräften. Demnach empfinden 60 Prozent der Beschäftigten in einem Großraumambiente deutlich mehr Stress. In Deutschland nervte die Arbeitnehmer vor allem, dass ihr Büro schlecht klimatisiert war (57 Prozent)und dass der Etagendrucker häufig ausfiel (53 Prozent). Was nicht einmal weiter verwunderlich ist, denn – auch das kam bei der Umfrage heraus – die Befragten liefen im Schnitt rund 13 Mal am Tag zum Drucker, um dort jedes Mal 111,2 Sekunden zu vertrödeln, weil gerade Papierstau war, der Kollege schneller ankam oder der Toner mal wieder gewechselt werden musste.
Natürlich sind das Lappalien im Vergleich zu dem, was wir dort sonst noch erleben können. Büros gleichen einem kleinen Gemeinwesen mit eigener Kultur, eigenen, meist ungeschriebenen Regeln und Ritualen. Häufig lauern zahlreiche Fallgruben und Konfliktherde zwischen Konferenzraum und Korridor, zwischen Kaffeeküche und Kopierer. Die meisten Büroarbeiter verbringen mehr Zeit miteinander, reden mehr mit ihren Kollegen als mit ihrer Familie, kennen die Belegschaft besser als ihre Nachbarn und sind den Launen und Marotten der Mit-Arbeiter, ihrer Missgunst und ihren Intrigen ungeschützt ausgeliefert. Seinen Lebenspartner und seinen Beruf kann man sich schließlich aussuchen – die Kollegen nicht.
Sagen wir es, wie es ist: Das Büro ist ein Minenfeld. Nichts kann einem die Freude an der Arbeit mehr versauen als Kollegen mit dem Territorialverhalten eines Medici. Im sozialen Gehege Büro prallen regelmäßig die unterschiedlichsten Charaktere aufeinander: Da gibt es den Bürokraten, der pedantisch alles prüft und protokolliert; den Karrieristen, der um jeden Preis nach oben will; die Diva, die hochgradig nachtragend ist; den Phlegmatiker, der in seiner Gelassenheit ruht wie in einem faradayschen Käfig und für sein Versagen immer andere verantwortlich macht; oder den Blender, der nichts kann – aber eine Attitüde pflegt, als stamme er in direkter Linie von Minerva ab, der Göttin der Weisheit. Und allen gemein ist: Sie nerven. Und zwar kolossal.
Das Schlimme daran: Solche negativen Emotionen sind »hochgradig ansteckend«, sagt zum Beispiel der Mainzer Organisations- und Wirtschaftspsychologe Christian Dormann. Es sei wie bei einem Virus: Schon eine kritische Masse an Griesgramen und Neurotikern im Betrieb genügt, und das Gruppenklima verschlechtert sich dramatisch. Wie beim typischen Verlauf der Bürokratie gilt: Je länger eine Bürogemeinschaft besteht, desto weniger orientiert sie sich an ihrem eigentlichen Ziel, sondern beschäftigt sich umso mehr mit Selbstverwaltung, Selbstfindung
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