Der Untertan
Sie, Fischer, nun vielleicht die Arbeiter gegen die städtischen Behörden aufhetzen, weil ein Magistratsrat etwas getan hat, was ihm keiner beweisen kann.« Seine Faust schlug entrüstet durch die Luft. »Mir hat man schon nachgesagt, daß ich den Prozeß gegen Lauer angezettelt habe. Ich will an nichts schuld sein, meine Leute sollen sich ruhig halten.«
Seine Stimme ward vertraulicher, er neigte sich näher zu dem andern hin. »Na, und weil ich Ihren Einfluß kenne, Fischer...«
Plötzlich war seine Hand offen, und auf ihrer Fläche lagen drei große Goldstücke.
Napoleon Fischer sah sie und verzerrte das Gesicht, als erblickte er den Teufel. »Nein!« rief er, »und abermals nein! Meine Überzeugung kann ich nicht verraten! Für allen Mammon der Welt nicht!«
Er hatte rote Augen und kreischte. Diederich wich zurück; so nahe hatte er dem Umsturz noch nie ins Gesicht gesehen. »Die Wahrheit muß ans Licht!« kreischte Napoleon Fischer. »Dafür werden wir Proletarier sorgen: Das können Sie nicht verhindern, Herr Doktor! Die Schandtaten der besitzenden Klasse...«
Diederich hielt ihm schnell noch einen Kognak hin. »Fischer«, sagte er eindringlich, »das Geld biete ich Ihnen dafür, daß mein Name in der Sache nicht genannt wird.« Aber Napoleon Fischer wehrte ab; ein hoher Stolz erschien in seiner Miene.
»Zeugniszwang, Herr Doktor, üben wir nicht. Wir nicht. Wer uns mit Agitationsstoff versorgt, hat nichts zu fürchten.«
»Dann ist alles in Ordnung«, sagte Diederich erleichtert. »Ich wußte schon, Fischer, daß Sie ein großer Politiker sind. Und darum, wegen des Mädchens, ich meine die verunglückte Arbeiterin — Ich habe Ihnen soeben mit meiner Mitteilung über die Buckschen Schweinereien einen Gefallen getan...«
Napoleon Fischer grinste geschmeichelt. »Weil Herr Doktor sagen, daß ich ein großer Politiker bin... Ich will von dem Schadenersatz weiter nicht reden. Intimitäten aus den ersten Kreisen sind für uns doch wichtiger als —«
»— als so ein Mädchen«, ergänzte Diederich. »Sie denken immer als Politiker.«
»Immer«, bestätigte Napoleon Fischer. »Mahlzeit, Herr Doktor.« Er zog sich zurück — indes Diederich feststellte, daß die proletarische Politik ihre Vorzüge habe. Er schob seine drei Goldstücke wieder in die Tasche.
Am Abend des nächsten Tages waren alle Spiegel des Hauses im Wohnzimmer zusammengetragen. Emmi, Magda und Inge Tietz drehten sich dazwischen umher, bis ihnen die Hälse schmerzten; dann ließen sie sich nervös auf den Rand eines Stuhles nieder. »Mein Gott, es ist doch Zeit!« Aber Diederich war fest entschlossen, nicht wieder zu früh zu kommen, wie beim Prozeß Lauer. Die ganze Wirkung der Persönlichkeit ging zum Teufel, wenn man zu früh da war. Als sie endlich gingen, entschuldigte Inge Tietz sich nochmals bei Frau Heßling, daß sie ihr den Platz im Wagen wegnehme. Nochmals sagte Frau Heßling: »Ach Gott, es ist gern geschehen. Ich alte Frau bin zu schwach für so was Großes. Genießt ihr es nur, Kinder!« Und sie umarmte unter Tränen ihre Töchter, die kühl abwehrten. Denn sie wußten, daß die Mutter bloß Angst hatte, weil jetzt überall von nichts weiter gesprochen wurde als von der furchtbaren Klatschgeschichte, an der sie selbst schuld war.
Im Wagen fing Inge gleich wieder davon an. »Na, Bucks und Daimchens! Gespannt bin ich bloß, ob sie heute die edle Dreistigkeit haben und da sind!« Magda sagte ruhig: »Das müssen sie wohl. Sonst geben sie ja zu, daß es wahr ist.« — »Wenn schon«, erklärte Emmi. »Ich finde, daß das ihre Sache ist. Ich rege mich darüber nicht auf.« — »Ich auch nicht«, setzte Diederich hinzu. »Ich habe es eigentlich erst heute abend von Ihnen gehört, Fräulein Tietz.«
Hierüber geriet Inge Tietz außer sich. So leicht dürfe man den Skandal denn doch nicht nehmen. Ob er glaube, daß sie sich das Ganze ausgedacht habe. »Die Bucks haben schon längst Butter auf dem Kopf wegen der Sache: das wissen ihre eigenen Dienstboten.« — »Also Dienstbotenklatsch«, sagte Diederich, während er einen kleinen Stoß erwiderte, den Magda ihm mit dem Knie gab. Dann mußte man schon aussteigen und die Stufen hinuntergehen, die den neuen Teil der Kaiser-Wilhelm-Straße mit der tief gelegenen alten Riekestraße verbanden. Diederich fluchte; denn es begann zu regnen, die Ballschuhe wurden naß; auch standen vor dem Festlokal Proleten, die feindselig gafften. Hätte man nicht, als der ganze Stadtteil höher
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