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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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kommt was.« Bei jedem Strich Boden, den er gewann, wiederholte er: »Jetzt kommt was. Bin ich noch ein Schaf? Aha, wenn man denkt, ein Mädchen ist anständig, und man hat ehrliche Absichten, ist man ein Schaf. Jetzt kommt was.« Mit einem letzten Ruck schleuderte er sie hin. »Au«, sagte sie; und vor Lachen erstickend: »Was kommt denn jetzt?«
    Plötzlich ward ihre Verteidigung ernst. Sie rang sich hervor; der Streifen Gaslicht, den das kahle Fenster hereinließ, beschien ihre Unordnung; und ihr Gesicht, von der Anstrengung wie geschwollen, war nach der Tür gerichtet. Er wandte den Kopf: da stand Guste Daimchen. Sie starrte entgeistert her, Käthchen quollen die Augen heraus, und Diederich, auf dem Sofa kniend, verrenkte sich den Hals... Endlich zog Guste die Tür an, sie ging entschlossen auf Käthchen zu.
    »Du gemeines Luder!« sagte sie, aus tiefem Innern.
    »Selber eins!« sagte Käthchen, schnell gefaßt. Da schnappte Guste nur noch nach Luft. Von Käthchen sah sie zu Diederich, ratlos und so empört, daß ihr Blick sich mit feuchtem Glanz füllte. Er versicherte: »Fräulein Guste, es handelt sich um einen Scherz«; aber er kam schlecht an, Guste brach los: »Sie kenn ich, von Ihnen kann ich es mir denken.«
    »So, du kennst ihn«, bemerkte Käthchen höhnisch. Sie stand auf, indes Guste ihr noch näher rückte. Diederich seinerseits ergriff die Gelegenheit, gab seiner Haltung Würde und trat zurück, um die Damen unter sich die Sache erledigen zu lassen.
    »Daß ich so was muß mit ansehen!« rief Guste; und Käthchen: »Du hast gar nichts gesehen! Wozu siehst du es dir überhaupt an?«
    Diederich begann gleichfalls, dies auffallend zu finden, zumal da Guste schwieg. Käthchen gewann sichtlich die Oberhand. Sie warf den Kopf zurück und sagte: »Von dir finde ich es überhaupt sonderbar. Wer so viel Butter auf dem Kopf hat wie du!«
    Sofort zeigte Guste sich tief beunruhigt. »Ich?« fragte sie gedehnt. »Was tu ich denn?« Käthchen zierte sich plötzlich — indes Diederich vom Schrecken gepackt ward.
    »Das wirst du wohl selbst wissen. Mir ist es zu peinlich.«
    »Ich weiß gar nichts«, sagte Guste klagend.
    »So was hätte man gedacht, daß es gar nicht gibt«, sagte Käthchen und rümpfte die Nase. Guste verlor die Geduld. »Nun bitte ich es mir aber aus! Was habt ihr alle?«
    Diederich schlug vor: »Es ist doch wohl besser, wenn wir jetzt das Lokal verlassen.« Aber Guste stampfte auf.
    »Keinen Schritt tu ich, bis ich es weiß. Den ganzen Abend merke ich schon, daß sie mich anglotzen, als ob ich einen toten Fisch verschluckt habe.«
    Käthchen wandte sich weg. »Na, da siehst du es. Sei froh, daß sie dich nicht hinauswerfen mitsamt deinem Halbbruder Wolfgang.«
    »Mit wem?... Mein Halbbruder... Wieso Halbbruder?«
    In einer tiefen Stille keuchte Guste leise und irrte mit den Augen umher. Auf einmal hatte sie begriffen. »So eine Gemeinheit!« rief sie entsetzt. Über Käthchens Mienen breitete sich ein Lächeln des Genusses aus. Diederich seinerseits wehrte beteuernd ab. Guste streckte den Finger aus gegen Käthchen. »Das habt ihr Mädchen euch ausgedacht! Ihr seid mir neidisch wegen meinem Geld!«
    »Pöh«, machte Käthchen. »Dein Geld wollen wir überhaupt nicht, wenn so was dabei ist.«
    »Es ist doch nicht wahr!« Guste kreischte auf. Plötzlich fiel sie vornüber auf das Sofa und wimmerte. »Ach Gott, ach Gott, was haben wir da angerichtet.«
    »Siehst du wohl«, sagte Käthchen, frei von Mitleid.
    Guste schluchzte immer lauter; Diederich berührte ihre Schulter. »Fräulein Guste, Sie wollen doch nicht, daß die Leute kommen.« Er suchte nach einem Trost. »So was kann man nie wissen. Ähnlich sehen Sie sich nicht.«
    Aber der Trost wirkte anstachelnd auf Guste. Sie sprang auf und ging zum Angriff über. »Du — du bist überhaupt eine feine Nummer«, zischte sie Käthchen zu. »Von dir sag ich, was ich gesehen habe!«
    »Das werden sie dir glauben! So einer glaubt keiner mehr was. Von mir weiß jeder, daß ich anständig bin.«
    »Anständig! Streich dir wenigstens das Kleid glatt!«
    »So gemein wie du —«
    »Bist bloß noch du!«
    Hierüber erschraken beide, brachen ab und verharrten einander gegenüber, Haß und Angst in ihren dicken Gesichtern, die sich so sehr glichen; und die Büsten nach vorn, die Schultern hinauf, die Arme in die Hüften gestemmt, sahen sie aus, als sollten ihnen die duftigen Ballkleider vom Leibe platzen. Guste unternahm noch einen Vorstoß: »Ich sag es

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