Ein Pony auf großer Wanderung
Brief an einen Pechvogel
„Zottel, mußt du mich ausgerechnet jetzt anstoßen! Schau dir an, was du angestellt hast!“ Bille gab ihrem vierbeinigen Freund einen Klaps und hielt ihm vorwurfsvoll ihre mißglückte Zeichnung entgegen. „Das ist kein Pony mehr, das ist eine Giraffe mit Plattfüßen! Und es sollte so ein schönes Porträt von dir werden, du Dummkopf! Na ja, das ist mal wieder typisch!“
Bille seufzte, dann kritzelte sie eine Erklärung an den Rand des Briefes, neben Zottels verunglücktes Konterfei.
Vom Wald her näherte sich das Geräusch galoppierender Hufe, gleich darauf stoppten Bettina, Florian und seine Freundin Nico neben der Bank, auf der Bille ihr Schreibzeug ausgebreitet hatte.
„Na, bist du fertig?“
Bettina sprang aus dem Sattel. Sie ließ ihrer Stute Sternchen den Zügel lang, damit sie grasen konnte, obgleich sie sich später gewiß wieder über die vom Grünzeug verklebte Trense ärgern würde... Zu Unrecht, das wußte sie genau. Bettina setzte sich neben Bille.
„Ja, ich muß ihn nur noch einmal durchlesen. Wenn Zottel mir nicht meine schöne Zeichnung verdorben hätte, wär’s ein echtes Schmuckstück geworden!“
„He, das ist ja ein ganzer Roman! Lies vor!“
„Warte, wir wollen auch zuhören!“
Nico band ihren Wallach Sylvester im Schatten an einen Baum, während Florian seiner geliebten Stute Florentine das schweißnasse Fell mit seinem Pulli trockenrieb. Bille und Bettina sahen sich an und lachten.
„ Flori , meinst du nicht, daß du’s mal wieder ein bißchen übertreibst?“
„Man kann nie vorsichtig genug sein, gerade jetzt in der Übergangszeit, liebe Bille! Mittags diese Hitze, und kaum ist die Sonne weg, wird’s eiskalt. Wie leicht kann sie sich da erkälten!“
„Du redest wie eine alte Tante. Vorläufig jedenfalls steht die Sonne noch am Himmel, und es ist heiß wie im Sommer“, bemerkte Nico kopfschüttelnd und setzte sich Bille zu Füßen ins Gras.
„Das versteht ihr nicht.“
Florian hatte für Florentine die ideale Stelle gefunden, einen Baum, der ihrem Kopf Schatten gab, während ihr Körper in der wärmenden Herbstsonne vor Unterkühlung geschützt war.
„So“, seufzte er zufrieden und ließ sich neben Nico ins Gras plumpsen. „Du kannst anfangen!“
„Okay. Also,
Liebe Franca! Was für ein idiotisches Pech! Wenn’s wenigstens ein Sturz vom Pferd gewesen wäre! Aber sich mit dem Fahrrad unter die Räder eines Autos fallen zu lassen, das ist doch höchst überflüssig! Jedenfalls sind wir alle sehr froh, daß nichts Schlimmeres passiert ist und daß Du bald wieder aus dem Krankenhaus kommst. Die ganze Klasse läßt Dich grüßen und Dir ihr herzliches Mitgefühl aussprechen. Und ich soll Dir sagen, daß Du uns allen sehr fehlst! Deine Donata schickt Dir ein sehnsüchtiges Wiehern. Sie freut sich auf Deine Rückkehr, auch wenn sie von uns allen sehr verwöhnt wird. Johnny longiert sie täglich, und Peter reitet sie, wann immer er Zeit hat. In der Schule und im Schulstall ist alles in Ordnung. Ich sitze gerade auf der Bank am Waldrand und schaue nach Groß- Willmsdorf hinüber. Es ist zum Malen schön, das weiße Schloß, eingebettet in die buntbelaubten Bäume des Parks. Auf dem Parcours drüben arbeitet Simon unter Daddy Tiedjens Anleitung mit Jamaika. Sie hat tolle Fortschritte gemacht in den letzten Wochen. Im alten Pferdestall machen Hubert und Petersen Großputz. Sie nützen das schöne Wetter aus, um vor Einbruch des Winters noch einmal alle Pferdedecken und Sattelunterlagen zu waschen. Die auf dem Hof vorhandenen Wäscheleinen hängen voll. Auf dem Dressurplatz neben der Schulreithalle arbeitet die neue Voltigiergruppe . Ich sehe Mini von hieraus wie einen Federball durch die Luft hüpfen. Daß wir Frau Jensen als Lehrerin und als Trainerin für die Voltigiergruppe bekommen haben, ist ein echter Glücksfall! Dies ist wirklich ein toller Platz: Man sieht alles, was auf dem Hof geschieht, wie auf einer Bühne vor sich. Jetzt kommt Beppo mit seiner Sahida aus dem Stall. Er diskutiert mit Johnny dem Indianer. Beppo stellt sich mit seiner Stute fast noch schlimmer an als Florian mit seiner Florentine, dabei gibt es auf der Welt keinen besseren Pferdepfleger als Johnny!“
„Ich stelle mich überhaupt nicht an“, murmelte Florian mit leisem Protest. „Ich bin höchstens sensibel, was Florentine betrifft!“
„Klar. Lies weiter, Bille“, ermunterte Bettina die Freundin.
„Jetzt sehe ich drüben aus der Allee Daniel und Joy
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