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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Man muß wissen, was man sich selbst schuldet.«
    Dann verließ er sogleich den Saal. Soeben holte der junge Sprezius, der jetzt nicht mehr Leutnant, sondern wieder Primaner war, das verwachsene Fräulein Kühnchen von der Wand weg. Er nahm wohl Rücksicht auf ihren Vater. Guste Daimchen blieb sitzen... Diederich machte einen Gang durch die Seitenzimmer, wo ältere Herren Karten spielten, bekam eine lange Nase von Käthchen Zillich, die er hinter einer Tür mit einem Schauspieler überraschte, und gelangte zum Büffet. Dort saß an einem Tischchen Wolfgang Buck und zeichnete in sein Notizbuch die Mütter, die um den Saal herum warteten.
    »Sehr talentvoll«, sagte Diederich. »Haben Sie auch schon Ihr Fräulein Braut porträtiert?«
    »In der Beziehung interessiert sie mich nicht«, erwiderte Buck, so phlegmatisch, daß Diederich Zweifel kamen, ob seine Erlebnisse mit Guste im Liebeskabinett ihren Verlobten interessiert haben würden.
    »Mit Ihnen weiß man überhaupt nicht«, sagte er enttäuscht.
    »Mit Ihnen weiß man immer«, sagte Buck. »Damals vor Gericht, während Ihres großen Monologes, hätte ich Sie zeichnen mögen.«
    »Ihr Plädoyer hat mir genügt; es war ein Versuch, wenn auch glücklicherweise ein mißlungener, meine Person und mein Wirken vor der breitesten Öffentlichkeit in Mißkredit zu bringen und verächtlich zu machen!«
    Diederich blitzte, Buck bemerkte es erstaunt. »Mir scheint, Sie sind beleidigt. Und ich habe es doch so gut gesagt.« Er bewegte den Kopf und lächelte, grüblerisch und entzückt. »Wollen wir nicht 'ne Flasche Sekt zusammen trinken?« fragte er.
    Diederich meinte: »Ob ich nun gerade mit Ihnen —« Aber er gab nach. »Das Gericht hat durch sein Urteil festgestellt, daß Ihre Vorwürfe sich nicht allein gegen mich, sondern gegen alle nationalgesinnten Männer richteten. Damit sehe ich die Sache als erledigt an.«
    »Dann also Heidsieck?« fragte Buck. Er nötigte Diederich, mit ihm anzustoßen. »Das werden Sie doch zugeben, bester Heßling, so eingehend wie ich hat sich mit Ihnen überhaupt noch niemand beschäftigt... Jetzt kann ich es Ihnen sagen: Ihre Rolle vor Gericht hat mich mehr interessiert als meine eigene. Später, zu Hause vor meinem Spiegel, habe ich sie Ihnen nachgespielt.«
    »Meine Rolle? Sie wollen sagen, meine Überzeugung. Freilich, für Sie ist der repräsentative Typus von heute der Schauspieler.«
    »Das sagte ich mit Beziehung auf — einen andern. Aber Sie sehen, wieviel näher ich es habe zu der Beobachtung ... Wenn ich morgen nicht die Waschfrau zu verteidigen hätte, die bei Wulckows Unterhosen gestohlen haben soll, vielleicht würde ich den Hamlet spielen. Prost!«
    »Prost. Dazu brauchen Sie allerdings keine Überzeugungen!«
    »Gott, ich habe auch welche. Aber immer dieselben?... Sie würden mir also das Theater anraten?« fragte Buck. Diederich hatte schon den Mund geöffnet, um es ihm anzuraten, da trat Guste ein, und Diederich errötete, denn er hatte bei Bucks Frage an sie gedacht. Buck sagte träumerisch: »Inzwischen würde mein Topf mit Wurst und Kohl mir überkochen, und es ist doch ein so gutes Gericht.« Aber Guste, auf leisen Sohlen, legte ihm von rückwärts die Hände auf die Augen und fragte: »Wer ist das?« — »Da ist er ja«, sagte Buck und gab ihr einen Klaps.
    »Die Herren unterhalten sich wohl gut? Soll ich wieder gehen?« fragte Guste. Diederich beeilte sich, ihr einen Stuhl zu holen; aber in Wirklichkeit wäre er lieber mit Buck allein gewesen; der fiebrige Glanz in Gustes Augen versprach nichts Gutes. Sie redete geläufiger als sonst.
    »Ihr paßt eigentlich großartig zueinander, bloß daß ihr so förmlich tut.«
    Buck sagte: »Das ist die gegenseitige Achtung.« Diederich stutzte, und dann machte er eine Bemerkung, die ihn selbst in Erstaunen setzte. »Eigentlich — sooft ich mich von Ihrem Herrn Bräutigam trenne, hab ich Wut auf ihn; beim nächsten Wiedersehen aber freu ich mich.« Er richtete sich auf. »Wenn ich nämlich noch kein nationalgesinnter Mann wäre, würde er mich dazu machen.«
    »Und wenn ich es wäre«, sagte Buck, weich lächelnd, »würde er es mir abgewöhnen. Das ist der Reiz.«
    Aber Guste hatte sichtlich andere Sorgen; sie war erbleicht und schluckte hinunter.
    »Jetzt sag ich dir was, Wolfgang. Wetten, daß du umfällst?«
    »Herr Rose, Ihren Hennessy!« rief Buck. Während er Kognak mit Sekt mischte, umklammerte Diederich Gustes Arm, und da die Ballmusik gerade sehr laut war, flüsterte er

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