Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
Vom Netzwerk:
Edelleute wurden bei den Füchsen umhergereicht und zwischen den gekreuzten Schlägern am Kaiserbild befestigt. Kein Neuteutone, der sich heute nicht betrank.
    Damit endete das Semester; aber Diederich und Hornung hatten für die Heimreise kein Geld. Das Geld fehlte ihnen schon längst für fast alles. Mit Rücksicht auf die Pflichten des Verbindungslebens war Diederichs Wechsel auf zweihundertfünfzig Mark erhöht worden; und doch übermannten ihn die Schulden. Alle Quellen schienen ausgepumpt, nur dürres Land sah man, verschmachtend, sich dahindehnen — und endlich mußte man wohl, so wenig dies Rittern angestanden hätte, über die Zurückforderung dessen beraten, was sie selbst im Lauf der Zeiten an Kommilitonen verliehen hatten. Gewiß war mancher Alte Herr inzwischen zu großen Geldern gelangt. Hornung fand keinen; Diederich verfiel auf Mahlmann.
    »Bei dem geht es«, erklärte er. »Der war bei gar keiner Verbindung: ein ganz gemeiner Ruppsack. Dem werd ich mal auf die Bude steigen.«
    Aber als Mahlmann ihn erblickte, brach er ohne weiteres in sein riesenhaftes Lachen aus, das Diederich fast vergessen hatte und das ihn sofort unwiderstehlich herabstimmte. Mahlmann war taktlos! Er hätte doch fühlen sollen, daß hier in seinem Patentbüro mit Diederich die ganze Neuteutonia moralisch zugegen war, und hätte Diederich um ihretwillen Achtung erweisen sollen. Diederich hatte den Eindruck, als sei er aus der kraftspendenden Gesamtheit jäh herausgerissen und stehe hier als einzelner Mensch vor einem anderen. Eine nicht vorgesehene, unliebsame Lage! Um so unbefangener trug er seine Sache vor. Oh! Er wolle kein Geld zurück, das würde er einem Kameraden niemals zugemutet haben! Mahlmann möge nur so gefällig sein, ihm für einen Wechsel zu bürgen. Mahlmann lehnte sich in seinen Schreibsessel zurück und sagte breit und selbstverständlich: »Nein.«
    Diederich, betroffen: »Wieso nein?«
    »Bürgen ist gegen meine Prinzipien«, erklärte Mahlmann.
    Diederich rötete sich vor Entrüstung. »Aber ich habe doch auch für Sie gebürgt, und dann ist der Wechsel an mich gekommen, und ich mußte für Sie die hundert Mark blechen. Sie haben sich gehütet!«
    »Sehen Sie wohl? Und wenn ich jetzt für Sie bürgen wollte, würden Sie auch nicht bezahlen.«
    Diederich riß nur noch die Augen auf.
    »Nein, Freundchen«, schloß Mahlmann; »wenn ich Selbstmord begehen will, brauch ich Sie nicht dazu.«
    Diederich faßte sich, er sagte herausfordernd: »Sie haben wohl keinen Komment, mein Herr.«
    »Nein«, wiederholte Mahlmann und lachte ungeheuerlich. Mit äußerstem Nachdruck stellte Diederich fest: »Dann scheinen Sie überhaupt ein Schwindler zu sein. Es soll ja gewisse Patentschwindler geben.«
    Mahlmann lachte nicht mehr; die Augen in seinem kleinen Kopf waren tückisch geworden, und er stand auf, »Nun müssen Sie rausgehen«, sagte er, ohne Erregung. »Unter uns wäre es wohl Wurst, aber nebenan sitzen meine Angestellten, die dürfen so was nicht hören.«
    Er packte Diederich an den Schultern, drehte ihn herum und schob ihn vor sich her. Für jeden Versuch, sich loszumachen, bekam Diederich einen mächtigen Knuff.
    »Ich fordere Genugtuung«, schrie er. »Sie müssen sich mit mir schlagen!«
    »Ich bin schon dabei. Merken Sie es nicht? Dann will ich noch einen rufen.« Er öffnete die Tür. »Friedrich!« Und Diederich ward einem Packer überliefert, der ihn die Treppe hinabbeförderte. Mahlmann rief ihm nach: »Nichts für ungut, Freundchen. Wenn Sie ein andermal was auf dem Herzen haben, kommen Sie ruhig wieder!«
    Diederich brachte sich in Ordnung und verließ das Haus in guter Haltung. Um so schlimmer für Mahlmann, wenn er sich so aufführte! Diederich hatte sich nichts vorzuwerfen; vor einem Ehrengericht wäre er glänzend dagestanden. Etwas höchst Anstößiges blieb es, daß ein einzelner sich so viel erlauben konnte; Diederich war gekränkt im Namen sämtlicher Korporationen. Andererseits war es nicht zu leugnen, daß Mahlmann Diederichs alte Hochachtung wieder beträchtlich aufgefrischt hatte. ›Ein ganz gemeiner Hund‹, dachte Diederich. ›Aber so muß man sein...‹
    Zu Hause lag ein eingeschriebener Brief.
    »Nun können wir fortmachen«, sagte Hornung.
    »Wieso wir? Ich brauch mein Geld selbst.«
    »Du machst wohl Spaß. Ich kann hier doch nicht allein sitzenbleiben.«
    »Dann such dir Gesellschaft!«
    Diederich schlug ein solches Gelächter auf, daß Hornung ihn für verrückt hielt. Darauf reiste

Weitere Kostenlose Bücher