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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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was es kostet. Mit euren kleinlichen Geldgeschichten könnt ihr mir später kommen.«
    Er bestand sogar darauf, in Berlin einzutreten. Der Tod des Vaters hatte ihm wilde Freiheitsgefühle gegeben. Nachts freilich träumte er, der alte Herr trete aus dem Kontor, mit dem ergrauten Gesicht, das er als Leiche gehabt hatte — und schwitzend erwachte Diederich.
    Er reiste, versehen mit dem Segen der Mutter. Gottlieb Hornung und ihre gemeinsame Rosa konnte er fortan nicht brauchen und zog um. Den Neuteutonen zeigte er in angemessener Form seine veränderten Lebensumstände an. Die Burschenherrlichkeit war vorüber. Der Abschiedskommers! Trauersalamander wurden gerieben, die für Diederichs alten Herrn bestimmt waren, aber die auch ihm und seiner schönsten Blütezeit gelten konnten. Vor lauter Hingabe gelangte er unter den Tisch, wie am Abend seiner Aufnahme als Konkneipant; und war nun Alter Herr.
    Arg verkatert stand er tags darauf, inmitten anderer junger Leute, die alle, wie er selbst, ganz nackt ausgezogen waren, vor dem Stabsarzt. Dieser Herr sah angewidert über all das männliche Fleisch hin, das ihm unterbreitet war; an Diederichs Bauch aber ward sein Blick höhnisch. Sofort grinsten alle ringsum, und Diederich blieb nichts übrig, als auch seinerseits die Augen auf seinen Bauch zu senken, der errötet war... Der Stabsarzt hatte seinen vollen Ernst zurück. Einem, der nicht so scharf hörte, wie es Vorschrift war, erging es schlecht, denn man kannte die Simulanten! Ein anderer, der noch dazu Levysohn hieß, bekam die Lehre: »Wenn Sie mich wieder mal hier belästigen, dann waschen Sie sich wenigstens!« Bei Diederich hieß es: »Ihnen wollen wir das Fett schon wegkurieren. Vier Wochen Dienst, und ich garantiere Ihnen, daß Sie aussehen wie ein Christenmensch.«
    Damit war er genommen. Die Ausgemusterten fuhren so schnell in ihre Kleider, als brennte die Kaserne. Die für tauglich Befundenen sahen einander prüfend von der Seite an und entfernten sich zaudernd, als erwarteten sie, daß eine schwere Hand sich ihnen auf die Schulter lege. Einer, ein Schauspieler mit einem Gesicht, als sei ihm alles eins, kehrte um, stellte sich nochmals vor den Stabsarzt hin und sagte laut, mit sorgfältiger Aussprache: »Ich möchte noch hinzufügen, daß ich homosexuell bin.«
    Der Stabsarzt wich zurück, er war ganz rot. Stimmlos sagte er: »Solche Schweine können wir allerdings nicht brauchen.«
    Diederich drückte den künftigen Kameraden seine Entrüstung aus über ein so schamloses Verfahren. Dann sprach er noch den Unteroffizier an, der vorher an der Wand seine Körperlänge gemessen hatte, und beteuerte ihm, daß er froh sei. Trotzdem schrieb er nach Netzig an den praktischen Arzt Doktor Heuteufel, der ihn als Jungen im Hals gepinselt hatte: ob der Doktor ihm nicht bescheinigen wolle, daß er skrofulös und rachitisch sei. Er könne sich doch nicht ruinieren lassen mit der Schinderei. Aber die Antwort lautete, er solle nur nicht kneifen, das Dienen werde ihm trefflich bekommen. So gab Diederich denn sein Zimmer wieder auf und fuhr mit seinem Handkoffer in die Kaserne. Wenn man schon vierzehn Tage dort wohnen mußte, konnte man solange die Miete sparen.
    Sofort ging es mit Reckturnen, Springen und anderen atemraubenden Dingen an. Kompagnieweise ward man in den Korridoren, die »Rayons« hießen, »abgerichtet«. Leutnant von Kullerow trug eine unbeteiligte Hochnäsigkeit zur Schau, die Einjährigen betrachtete er nie anders als mit einem zugekniffenen Auge. Plötzlich schrie er: »Abrichter!« und gab den Unteroffizieren eine Instruktion, worauf er sich verachtungsvoll abwandte. Beim Exerzieren im Kasernenhof, beim Gliederbilden, Sichzerstreuen und Platzwechseln ward weiter nichts beabsichtigt, als die »Kerls« umherzuhetzen. Ja, Diederich fühlte wohl, daß alles hier, die Behandlung, die geläufigen Ausdrücke, die ganze militärische Tätigkeit vor allem darauf hinzielte, die persönliche Würde auf ein Mindestmaß herabzusetzen. Und das imponierte ihm; es gab ihm, so elend er sich befand, und gerade dann, eine tiefe Achtung ein und etwas wie selbstmörderische Begeisterung. Prinzip und Ideal war ersichtlich das gleiche wie bei den Neuteutonen, nur ward es grausamer durchgeführt. Die Pausen der Gemütlichkeit, in denen man sich seines Menschentums erinnern durfte, fielen fort. Jäh und unabänderlich sank man zur Laus herab, zum Bestandteil, zum Rohstoff, an dem ein unermeßlicher Wille knetete. Wahnsinn und Verderben

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