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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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ein Märchen, das Wahrheit ward. Da stand es, unter anderen unbezweifelten Dingen, in dem einzigen Blatt, das Seine Majestät selbst las? Innerlich, in so tiefer Seele, daß er es selbst kaum hörte, murmelte Diederich: »Mein Telegramm.« Das bange Glück sprengte ihn fast. Konnte es sein? Hatte er richtig vorausempfunden, was der Kaiser sagen würde? Sein Ohr reichte in diese Ferne? Sein Gehirn arbeitete gemeinsam mit —? Die unerhörtesten mystischen Beziehungen überwältigten ihn... Aber das Dementi konnte noch kommen, er konnte zurückgeschleudert werden in sein Nichts! Diederich verbrachte eine angstvolle Nacht, und am Morgen stürzte er sich auf den »Lokal-Anzeiger«. Die Anekdoten. Die Denkmalsenthüllung. Die Rede. »Aus Netzig«. Da stand von den Ehrungen, die dem Gefreiten Emil Pacholke zuteil geworden waren für seinen vor dem inneren Feind bewiesenen Mut. Alle Offiziere, der Oberst an der Spitze, hatten ihm die Hand gedrückt. Er hatte Geldgeschenke bekommen. »Bekanntlich hat der Kaiser den braven Soldaten schon gestern telegrafisch zum Gefreiten befördert.« Da stand es! Kein Dementi: eine Bestätigung! Er machte Diederichs Worte zu den seinen, und er führte die Handlung aus, die Diederich ihm untergelegt hatte! ...Diederich breitete das Zeitungsblatt weit aus; er sah sich darin wie in einem Spiegel, und um seine Schultern lag Hermelin.
    Diesen Sieg und Diederichs schwindelnde Erhöhung, leider durfte kein Wort sie verraten, aber sein Wesen genügte, die Straffheit in Haltung und Sprache, das Herrscherauge. Familie und Werkstatt verstummten um ihn her. Sötbier selbst mußte zugeben, daß ein forscherer Zug in den Betrieb gekommen sei. Und Napoleon Fischer schlich, je aufrechter und heller Diederich dastand, desto affenähnlicher vorbei, die Arme nach vorn hängend, mit schiefem Blick und den fletschenden Zähnen in seinem dünnen schwarzen Bart: als der Geist des gebändigten Umsturzes... Dies war der Moment, gegen Guste Daimchen vorzugehen. Diederich machte Besuch.
    Frau Oberinspektor Daimchen empfing ihn zuerst allein, auf ihrem alten Plüschsofa, aber in einem braunen Seidenkleid mit lauter Schleifen, und die Hände breitete sie, rot und gequollen wie die einer Waschfrau, vor sich hin auf ihren Bauch, so daß der Gast die neuen Ringe immer vor Augen hatte. Aus Verlegenheit gestand er seine Bewunderung, worauf Frau Daimchen sich bereitwillig darüber ausließ, daß sie und ihre Guste es nun Gott sei Dank zu allem hätten. Sie wüßten nur noch nicht, ob sie sich altdeutsch oder Louis käs einrichten sollten. Diederich riet lebhaft zu altdeutsch; er habe es in Berlin in den feinsten Häusern gesehen. Aber Frau Daimchen war mißtrauisch. »Wer weiß, ob Sie so feine Leute wie uns schon besucht haben. Lassen Sie man, ich kenne das, wenn man so tun muß, als ob man was hat, und hat nichts.« Hierauf schwieg Diederich ratlos, und Frau Daimchen trommelte sich mit Genugtuung auf den Bauch. Zum Glück trat Guste ein, heftig rauschend. Diederich schwang sich elastisch aus seinem Fauteuil, sagte schnarrend: »Gnädigstes Fräulein!« und unternahm einen Handkuß. Guste lachte. »Reißen Sie sich nur kein Bein aus!« Aber sie tröstete ihn gleich wieder. »Man sieht sofort, was ein feiner Mann ist. Der Herr Leutnant von Brietzen macht es auch so.«
    »Ja, ja«, sagte Frau Daimchen, »bei uns verkehren alle Herren Offiziere. Gestern sag ich noch zu Guste: Guste, sag ich, auf jede Sitzgelegenheit können wir eine Freiherrnkrone sticken lassen, denn überall hat sich schon einer draufgesetzt.«
    Guste verzog den Mund. »Aber was die Familien betrifft und sonst überhaupt, ist Netzig doch reichlich spießig. Ich glaube, wir ziehen nach Berlin.« Damit war Frau Daimchen nicht einverstanden. »Man soll den Leuten den Gefallen nicht tun«, meinte sie. »Die alte Harnisch ist erst heute, wo sie mein Seidenkleid gesehen hat, fast zerplatzt.«
    »So ist Mutter nun mal«, sagte Guste. »Wenn sie renommieren kann, ist alles gut. Aber ich denke doch auch an meinen Verlobten. Wissen Sie, daß Wolfgang sein Staatsexamen gemacht hat? Was soll er hier in Netzig. In Berlin kann er mit unserem vielen Geld was werden.« Diederich bestätigte: »Er wollte ja schon immer Minister oder so was werden.« Leis höhnisch setzte er hinzu: »Das soll ja ganz leicht sein.«
    Guste nahm sofort eine feindliche Haltung ein. »Der Sohn vom alten Herrn Buck ist eben nicht jeder«, sagte sie spitz. Aber Diederich setzte, weltmännisch

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