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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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überlegen, auseinander, daß es heute auf Dinge ankomme, die der Einfluß des alten Buck nicht verleihen könne: Persönlichkeit, großzügigen Unternehmungsgeist und vor allem eine stramm nationale Gesinnung. Das junge Mädchen unterbrach ihn nicht mehr, sie sah sogar mit Respekt auf seine kühnen Schnurrbartspitzen. Aber das Bewußtsein, Eindruck zu machen, riß ihn zu weit fort. »Von alledem habe ich bei Herrn Wolfgang Buck noch nichts bemerkt«, sagte er. »Der philosophiert und nörgelt, und im übrigen soll er sich ziemlich viel amüsieren... Na«, schloß er, »seine Mutter war ja auch eine Schauspielerin.« Und er sah fort, obwohl er fühlte, daß Gustes drohender Blick ihn suchte.
    »Was wollen Sie damit sagen?« fragte sie.
    Er tat überrascht. »Ich, gar nichts. Ich meinte, wie reiche junge Leute in Berlin nun mal leben. Bucks sind doch eine vornehme Familie.«
    »Das wollen wir hoffen«, sagte Guste schroff. Frau Daimchen, die gegähnt hatte, erinnerte an die Schneiderin, Guste sah Diederich erwartungsvoll an, ihm blieb nichts übrig, als aufzustehen und eine Verbeugung zu machen. Den Handkuß unternahm er nicht mehr, mit Rücksicht auf die gespannte Stimmung. Aber im Vorzimmer holte Guste ihn ein. »Wollen Sie es mir jetzt vielleicht sagen«, fragte sie, »was Sie gemeint haben mit der Schauspielerin?«
    Er öffnete den Mund, schnappte und schloß ihn wieder, stark errötet. Um ein Haar hätte er verraten, was seine Schwestern ihm über Wolfgang Buck erzählt hatten. Er sagte mit mitleidiger Stimme: »Fräulein Guste, weil wir doch so alte Bekannte sind — Ich wollte nur sagen, der Buck ist nichts für Sie. Er ist sozusagen erblich belastet von seiner Mutter her. Der Alte war doch auch zum Tode verurteilt. Und was ist denn sonst an den Bucks noch dran? Glauben Sie mir, man soll in keine Familie heiraten, mit der es bergab geht. Das ist Sünde gegen sich selbst«, setzte er noch hinzu. Aber Guste hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Bergab? Und mit Ihnen geht es wohl bergauf? Weil Sie sich im Ratskeller betrinken und dann mit Leuten Krach machen? Die ganze Stadt spricht von Ihnen, und Sie möchten einer hochfeinen Familie was anhängen. Bergab! Wer mein Geld kriegt, mit dem geht es überhaupt nicht bergab. Sie sind bloß neidisch, meinen Sie, ich weiß das nicht?« — und sie sah ihn an, die Augen voll Tränen der Wut. Ihm war sehr beklommen; er hätte Lust gehabt, sich auf die Knie zu werfen, ihr die dicken kleinen Finger zu küssen und dann die Tränen aus den Augen — aber ging denn das? Inzwischen zog sie alle rosigen Fettpolster ihres Gesichtes herunter zu einem Ausdruck der Verachtung, machte kehrt und schlug die Tür zu. Diederich stand mit angstklopfendem Herzen noch eine Weile da, dann trollte er sich, im Gefühl seiner Kleinheit.
    Er bedachte, daß für ihn hier nichts zu machen gewesen sei; die Sache gehe ihn nichts an, Guste sei mit all ihrem Geld doch immer nur eine fette Gans — und das beruhigte ihn. Wie dann eines Abends Jadassohn ihm mitteilte, was er in Magdeburg beim Gericht erfahren habe, da triumphierte Diederich. Fünfzigtausend Mark, das war alles! Und deswegen ein Auftreten wie die Gräfinnen? Ein Mädchen von dermaßen schwindelhaftem Gebaren paßte freilich besser zu den verkommenen Bucks als zu einem kernigen und treugesinnten Mann wie Diederich! Da war Käthchen Zillich vorzuziehen. Äußerlich Guste ähnlich und mit fast ebenso starken Reizen geschmückt, empfahl sie sich außerdem durch Gemüt und ein entgegenkommendes Wesen. Er kam öfter zum Kaffee und machte ihr eifrig den Hof. Sie warnte ihn vor Jadassohn, was Diederich als nur zu berechtigt anerkennen mußte. Auch sprach sie mit äußerster Mißbilligung von Frau Lauer, die mit Landgerichtsrat Fritzsche — Was Lauers Prozeß betraf, war Käthchen Zillich die einzige, die ganz auf Diederichs Seite stand.
    Denn diese Sache nahm für Diederich ein drohendes Gesicht an. Jadassohn hatte erreicht, daß die Staatsanwaltschaft durch einen Ermittelungsrichter die Zeugen jenes nächtlichen Vorfalls vernehmen ließ; und so zurückhaltend Diederich sich vor dem Richter geäußert hatte, die andern machten ihn verantwortlich für ihre Verlegenheiten. Die Herren Cohn und Fritzsche wichen ihm aus; der Bruder des Herrn Buck, ein so höflicher Mann, vermied seinen Gruß; Heuteufel pinselte ihn grausam, lehnte aber jedes Privatgespräch ab. An dem Tage, da es bekannt ward, daß das Gericht dem Fabrikbesitzer Lauer die

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