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Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Titel: Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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    |7| PROLOG:
EIN PAAR TANZT
    ES WAR SPÄT GEWORDEN im Piękny Pies, einer Kneipe in der Krakauer Altstadt, die übersetzt »Schö ner Hund« heißt. Von der undichten Tür her drang Kälte herein. Ich saß am Tresen, ein Gast schob seinen Arm über meine Schulter,
     nahm zwei Wodka entgegen. Das Personal schien hier alles gleichzeitig zu bewerkstelligen: das Spülen, Kassieren und Zapfen
     des Bieres, das mild, ja süffig schmeckte: Żywiec.
    Die Erde bebte. Von einem Moment auf den anderen. Als sie die Charts abstellten und den Tango auflegten, den polnischen Tango,
     und das Lokal in eine ferne Vergangenheit gerückt wurde. Ein Paar hatte sich vom Tisch erhoben: sie, nicht mehr ganz jung,
     stark geschminkt. Ihr Partner war bärtig, sein Goldzahn, wenn er lachte, funkelte im Kneipenlicht.
    Kayah, die polnische Sängerin, sang vom Tabak, vom ungesunden Rauch, der auch diese Kneipe ausfüllte. Ein langsamer Tango,
     fast getragen, nur wenige Jahre alt, wie ich später erfuhr, ein Retro-Stück, doch es klang, als sei es in den Zwanzigern eingespielt
     worden. Unterlegt |8| vom Cello sang Kayah: »Laß den Tabakbeutel hier, laß ihn mir für immer, als ein Zeichen deiner Liebe« – »Na zawsze zostaw,
     jak znak miłości twojej.« – »Laß den Tabak mich langsam vergiften« – »Niech truje mnie powoli.«
    Mir behagte die Situation, in die ich geraten war, nicht. Ein tanzendes Paar in einer Kneipe und eine Musik, bei der eine
     ordentliche Portion Lebensgefühl samt Tabak, Tod und Liebe mitschwang, verführen zu Sentimentalitäten. Und ich hatte mir seit
     langem eine Abgeklärtheit angewöhnt, die ich nicht deutsch nennen möchte, aber die dort wohl ihre Wurzeln hat. Und spätestens
     die 90er Jahre haben Lebensgefühlen, in denen man sich verliert, den Garaus gemacht. Jedes Statement ist ein Zitat, jede Freude
     ironisch unterwandert, jede Trauer von Coolness überdeckt. Doch es war zu spät für Rückzugsgefechte, ich war einer kitschigen
     Kneipenromantik verfallen und ließ es geschehen.
    Und obgleich ich von Musik nichts verstand, begriff ich sofort, worauf es beim Tango ankommt: Es war ein Tanz der ungleichen
     Zeit, der voneinander wegstrebenden Bewegungen, der Nähe und der Ferne, des Abschieds und der Wiederkehr. Manchmal stand der
     Mann für wenige Sekunden bewegungslos, während die Frau weitertanzte. Und für einen Moment, das Bild galt es festzuhalten,
     reckte die Frau den Kopf nach hinten, ihr faltiges Antlitz, und lachte laut auf, wie erfrorenes Glück. Dann tanzte das Paar
     im Gleichschritt weiter, |9| mit gierigen und gleichsam kontrollierten Griffen, traurig und befreit zugleich.
    Ein Mann, dessen Namen ich mittlerweile vergessen habe, saß neben mir am Tresen, eine, wie er selbst sagte, »verlorene Seele«.
     Er erzählte eine Geschichte. Wirr, ein ungeordnetes Puzzle, die Bruchstücke ergaben in etwa folgendes Bild: Seine Eltern seien
     so reich, Immobilienmakler, und er so arm, daß er sich überworfen habe mit ihnen und nun durch Krakaus Kneipen ziehe, tagaus,
     tagein, und eines Tages, ja, eines Tages, er wiederholte sich, würde er für immer wegziehen. Nach Kanada, nach Kanada. Und
     daß er unglücklich sei und einsam. Er war groß, er hatte schulterlanges schwarzes Haar, war zwischen 30 und 40 Jahre alt,
     so genau ließ sich das nicht sagen, er lachte, er nahm einen tiefen Zug Żywiec. Der Mann goß schon den ganzen Abend das Bier
     in seinen Rachen, es schoß hinein wie ein Wasserfall auf nackte Steine. Dann blickte er glasig auf mich herab. Das Paar tanzte
     an uns vorbei.
    Ich erzählte, daß ich beabsichtigte, ein Buch über Polen zu schreiben. Er nickte, er hörte nicht zu. Ich erzählte, daß ich
     Polen verlassen hatte vor langer Zeit, daß ich von diesem Land lange Zeit nichts mehr wissen wollte. Daß ich mich früher schämte,
     ein Pole in Deutschland zu sein, des Bildes wegen, das man in Deutschland von Polen hatte, und mich erst spät, jetzt erst,
     mit 31 Jahren, daranmachte, es für mich neu zu entdecken.
    Er blickte mich wortlos an.
    |10| »Polski Tango, ein schöner Polski Tango«, sagte ich zu ihm, um dem Schweigen, das sich zwischen uns gelegt hatte, zu entrinnen.
     »Nein«, erwiderte er, schüttelte langsam den Kopf, »es heißt Polskie Tango, Polskie Tango.«
    Er verbesserte mich häufig an diesem Abend, ein strenger Lehrer, mein Polnisch war zwar flüssig, wurde immer flüssiger, je
     mehr ich trank, doch die Endungen brachte ich durcheinander, die

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