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Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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    Wenn Henry Wilt den Hund zu einem Spaziergang ausführte, oder richtiger, wenn der Hund ihn ausführte, oder um genau zu sein, wenn Mrs. Wilt beiden sagte, sie sollten bloß sehen, daß sie aus dem Hause kämen, damit sie ihre Yogaübungen machen könne, schlug er stets denselben Weg ein. Das heißt, der Hund folgte dem Weg, und Wilt folgte dem Hund. Sie gingen am Postamt vorbei, über den Spielplatz, unter der Eisenbahnbrücke durch und zum Fußweg am Fluß. Eine Meile am Fluß lang, dann wieder unter der Eisenbahn durch und durch Straßen zurück, in denen die Häuser größer als Wilts halbes Doppelhaus, die Bäume und Gärten riesig und alle Autos Rovers und Mercedesse waren. Und hier verrichtete Clem, ein rassereiner Neufundländer mit Stammbaum, der sich in dieser Gegend offenbar heimischer fühlte, sein Geschäft, während Wilt dastand und sich ziemlich nervös umsah, weil er wußte, daß das nicht seine Gegend war, und er doch wollte, sie wäre es. Das war während des Spazierganges ungefähr das einzige Mal, daß er sich überhaupt seiner Umgebung bewußt wurde. Den ganzen übrigen Weg begaben sich seine Gedanken auf die Reise und schlugen Richtungen ein, die mit seinem Äußeren auf dem Weg überhaupt nichts zu tun hatten. Es war eine Reise voller Wunschträume, eine Pilgerfahrt auf den Spuren entfernter Möglichkeiten, wie zum Beispiel, daß Mrs. Wilt für immer verschwände, daß er plötzlich reich und mächtig wäre, und was er täte, wenn er zum Erziehungsminister oder, besser noch, zum Premierminister ernannt würde. Zum Teil setzte sich das aus einer Reihe verzweifelter Ausflüchte zusammen, zum Teil aus einem stummen Dialog, so daß jeder, dem Wilt aufgefallen wäre (aber den meisten fiel er nicht auf), hätte bemerken können, wie sich hin und wieder seine Lippen bewegten und sein Mund sich zu einem Lächeln kräuselte, was er albernerweise für sardonisch hielt, während er Streitpunkte erörterte oder mit unglaublicher Schlagfertigkeit Gegenargumente parierte. Und auf einem dieser Spaziergänge, den er nach einem besonders aufreibenden Tag in der Berufsschule im Regen machte, kam Wilt zum ersten Mal der Gedanke, daß sich nur dann seine geheime Hoffnung erfüllen und er sein Leben selber in die Hand nehmen könne, wenn seine Frau irgendein nicht unbedingt zufälliges Unglück ereile.
    Wie alles in Henry Wilts Leben war das keine plötzliche Entscheidung. Er war kein entscheidungsfreudiger Mensch. Zehn Jahre als Hilfslehrer (zweiter Klasse) an der Berufsschule für Geisteswissenschaften und Gewerbekunde von Fenland waren dafür der Beweis. Zehn Jahre saß er nun schon in der Abteilung Allgemeinbildung fest und unterrichtete klassenweise Gasinstallateure, Gipser, Maurer und Klempner. Oder hinderte sie am Schwatzen. Und zehn lange Jahre nun schon verbrachte er seine Tage damit, mit zwei Dutzend Exemplaren von »Söhne und Liebhaber« oder Orwells »Es-says« oder »Candide« oder »Der Herr der Fliegen« von Klassenzimmer zu Klassenzimmer zu ziehen und sein Menschenmöglichstes zu tun, die Sensibilität von Lehrlingen, die einen Tag für die Schule frei bekamen, zu steigern - mit bemerkenswerter Erfolglosigkeit.
    »Das Ausgeliefertsein an die Kultur«, nannte es Mr. Morris, der Leiter der Abteilung Allgemeinbildung, aber von Wilts Warte aus erschien es ihm mehr wie sein persönliches Ausgeliefertsein an die Unkultur, und zweifellos waren die Ideale und Illusionen, die ihn in seinen jungen Jahren bei der Stange gehalten hatten, inzwischen durch seine Erfahrungen zerstört worden. Dasselbe hatten ihm zwölf Jahre Ehe mit Eva eingebracht.
    Wenn die Gasinstallateure von der Gefühlsbedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen, wie sie in »Söhne und Liebhaben dargestellt werden, völlig unbeeindruckt und von D. H. Lawrences tiefgründigen Einblicken in die Geschlechtlichkeit des Daseins rüde amüsiert durchs Leben gehen konnten, so war Eva Wilt einer solchen Gleichgültigkeit nicht fähig. Sie kniete sich in kulturelle Aktivitäten und ihre eigene Weiterbildung mit einem Enthusiasmus, der Wilt schwer zu schaffen machte. Schlimmer noch, was sie für Kultur hielt, änderte sich von einer Woche zur anderen und kreiste einmal um Barbara Cartland und Anya Seton, ein andermal um Ouspensky, dann wieder um Kenneth Clark, öfter aber um den Lehrer der Töpfereiklasse am Dienstag oder um den Dozenten für Transzendentale Meditation am Donnerstag, so daß Wilt nie wußte, was ihn zu Hause erwartete, außer

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