Der Vampir der mich liebte
Gespräch mit ihm verabredet. Und ich werde auch ein wenig Sightseeing machen, während ich dort unten bin.«
Ich bezwang den Impuls, Bill eine Flasche synthetisches Blut anzubieten, wie es eigentlich die Gastfreundschaft gebot. »Setz dich doch«, sagte ich und nickte zum Sofa hinüber. Ich selbst setzte mich auf die Kante des alten Lehnsessels dem Sofa gegenüber. Dann herrschte Schweigen, ein Schweigen, das mir noch bewusster machte, wie unglücklich ich war.
»Wie geht's Bubba?«, fragte ich schließlich.
»Im Moment ist er in New Orleans«, sagte Bill. »Die Königin hat ihn von Zeit zu Zeit ganz gern um sich, und hier in der Gegend war er im letzten Monat so oft zu sehen, dass es angeraten schien, ihn woanders hinzubringen. Er kommt aber bald zurück.«
Wer Bubba sah, erkannte ihn sofort. Jeder kennt sein Gesicht. Sein »Übergang« war nicht so ganz gelungen. Wahrscheinlich hätte der Aufwärter im Leichenschauhaus, zufällig ein Vampir, den winzigen Funken Leben, der noch in ihm war, ignorieren sollen. Aber als echter Fan von >Love Me Tender< hatte er der Versuchung nicht widerstehen können; und jetzt schob die gesamte Südstaaten-Vampir-Gemeinde Bubba herum, damit er nirgends auffiel.
Wieder herrschte Schweigen. Ich hatte eigentlich vorgehabt, meine Schuhe und die Kellnerinnenuniform abzustreifen, mir ein gemütliches Hauskleid anzuziehen und mich mit einer Pizza vor den Fernseher zu setzen. Kein besonders ambitioniertes Vorhaben, aber immerhin mein eigenes. Stattdessen saß ich nun hier und litt vor mich hin.
»Wenn du mir etwas zu sagen hast, fängst du am besten jetzt gleich damit an«, erklärte ich.
Er nickte, fast wie zu sich selbst. »Ich muss dir das erklären«, sagte er. Seine weißen Hände arrangierten sich wie von allein in seinem Schoß. »Lorena und ich -«
Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Diesen Namen wollte ich nie wieder hören. Wegen Lorena hatte er mich fallen gelassen.
»Ich muss dir das erzählen«, sagte er, beinahe verärgert. Mein Zucken war ihm nicht entgangen. »Gib mir doch eine Chance.« Einen Augenblick zögerte ich, dann nickte ich.
»Ich bin nach Jackson gefahren, als sie mich rief, weil ich nicht anders konnte«, sagte er.
Ich zog die Augenbrauen hoch. Das hatte ich doch schon mal gehört. Das hieß so viel wie »Ich konnte mich nicht beherrschen« oder »Ich konnte keinen Gedanken oberhalb der Gürtellinie mehr fassen«.
»Vor langer Zeit ist sie meine Geliebte gewesen. Eric hat dir ja schon erzählt, dass Affären unter Vampiren nicht lange andauern, obwohl sie sehr intensiv verlaufen. Allerdings hat Eric dir nicht erzählt, dass Lorena die Vampirin war, die mich herüberholte.«
»Auf die dunkle Seite?«, fragte ich, biss mir aber gleich auf die Lippe. Dies Thema sollte ich besser nicht leichtfertig anschneiden.
»Ja«, bestätigte Bill ernst. »Und danach waren wir zusammen, als Liebespaar, was nicht immer der Fall ist.«
»Aber du hattest sie verlassen...«
»Ja, vor ungefähr achtzig Jahren waren wir an dem Punkt angelangt, wo wir uns gegenseitig nicht länger ertrugen. Seitdem hatte ich Lorena nie wieder gesehen, obwohl ich natürlich von ihren Taten wusste.«
»Oh, natürlich«, sagte ich ausdruckslos.
»Aber ich musste ihrer Aufforderung gehorchen. Das ist ein absoluter Befehl. Wenn dein Schöpfer ruft, musst du Folge leisten.« Seine Stimme klang eindringlich.
Ich nickte und versuchte verständnisvoll zu wirken. Ich schätze, allzu gut ist mir das nicht gelungen.
»Sie befahl mir, dich zu verlassen«, sagte er. Mit seinen dunklen Augen starrte er mich an. »Sie sagte, wenn ich es nicht täte, würde sie dich töten.«
Langsam verlor ich die Beherrschung. Ich biss in die Innenseite meiner Wange, ganz fest, um mich zu konzentrieren. »Also hast du ohne Erklärung oder Gespräch mit mir einfach entschieden, was das Beste für mich und dich wäre.«
»Das musste ich«, sagte er. »Ich musste ihrem Befehl gehorchen. Und ich wusste auch, dass sie fähig war, dir etwas anzutun.«
»Nun, da hast du immerhin Recht.« Lorena hatte tatsächlich alle Schikanen ihres untoten Daseins aufgeboten, um mich direkt ins Grab zu verfrachten. Doch ich hatte sie zuerst erwischt - okay, nur mit ziemlich viel Glück. Aber immerhin.
»Und jetzt liebst du mich nicht mehr«, sagte Bill, den Anflug eines fragenden Tonfalls in der Stimme.
Darauf hatte ich selbst keine eindeutige Antwort.
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du zu mir
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