Der verborgene Charme der Schildkröte
schwarz-weißes, skunkähnliches Tier aus Afrika. Im Sudan nennt man es Vater des Gestanks . Wir hatten gehofft, es zurückschicken zu können, bevor Ihre Majestät es zu Gesicht bekommt, aber es war schon zu spät. Selbstverständlich war sie der Ansicht, es sei unhöflich, ein Geschenk zurückzugeben, unabhängig von etwaigen Ausdünstungen. Vom brasilianischen Präsidenten haben wir etliche Weißkopf-Büschelaffen erhalten und vom Gouverneur von Tasmanien einen Kurzkopfgleitbeutler, auch Sugarglider genannt. Sugarglider sind, nebenbei bemerkt, kleine fliegende Beutelratten, die depressiv werden, wenn man ihnen nicht genug Aufmerksamkeit schenkt. Dann gibt es einen Vielfraß, den die Russen geschickt haben. Er sieht aus wie ein kleiner Bär, hat einen unersättlichen Appetit und kostet die Königin, was die Futtermengen betrifft, ein Vermögen. Was noch? Ein Komodowaran vom Präsidenten von Indonesien. Komodowarane sind die größten Echsen der Welt und können ein Pferd verspeisen. Sie sind Fleischfresser und haben einen gefährlichen Biss, weil sie ihrem Opfer Gift injizieren. Wenn ich Sie wäre, würde ich mich vor ihm hüten.«
Der Beefeater umklammerte seine Armlehnen, während der persönliche Diener Ihrer Majestät umblätterte.
»Was noch?«, fragte Oswin Fielding. »Ach ja, ein paar Helmbasilisken, auch unter dem Namen Jesus-Echsen bekannt. Der Präsident von Costa Rica hat sie geschickt, Gott weiß, warum. Dann gibt es noch eine Etruskerspitzmaus vom Präsidenten von Portugal. Das ist das kleinste Landsäugetier der Welt und findet, wenn es ausgewachsen ist, in einem Teelöffel Platz. Außerdem ist es derart nervös, dass die Tierchen manchmal vor Angst sterben, nur weil sie jemand anfasst. Sie umzusiedeln gilt als erheblicher Stressfaktor, viel Glück also. Und lassen Sie mich Ihnen noch einmal ins Gedächtnis rufen, dass die Anglo-Portugiesische Allianz von 1373 die älteste noch bestehende Allianz der Welt ist. Wir möchten nicht, dass irgendjemand daherkommt und das ruiniert. Nun, hier ist die Liste. Über die anderen Tiere können Sie sich nach Ihrem eigenen Belieben informieren. Natürlich wird Ihnen ein Tierarzt zur Verfügung stehen, sollten Sie einen benötigen, aber es wird schon alles funktionieren. Stellen Sie einfach sicher, dass das liebe Vieh gefüttert und getränkt wird und ein bisschen Zuspruch bekommt.«
Der Beefeater streckte seine Hand in dem weißen Handschuh aus und nahm die Mappe entgegen. Als er gerade aufstehen wollte, lehnte sich der Mann vom Palast vor. »Noch etwas«, sagte er und senkte die Stimme. »Tragen Sie Sorge, dass die unzertrennlichen Lovebirds getrennt gehalten werden. Die beiden Papageien hassen sich nämlich.«
KAPITEL FÜNF
Hebe Jones ignorierte die Urne, die auf ihrem Schreibtisch stand, so wie sie es jeden Tag, seit sie abgegeben worden war, getan hatte. Stattdessen nahm sie das Glasauge und betrachtete es. Ein paar Sekunden lang starrten sich die beiden Pupillen aus nächster Nähe an, bis Hebe Jones schließlich nachgab und stattdessen die kunstvollen feinen Pinselstriche an der braunen Iris bewunderte. Nachdem sie ihre Neugierde befriedigt hatte, griff sie nach dem Telefonhörer in der Hoffnung, den dänischen Besitzer mit dem Gegenstand vor ihr wieder vereinen zu können.
Es hatte nicht so lange gedauert wie befürchtet, eine Telefonnummer ausfindig zu machen. Als sie hinten an der Prothese den Namen des Herstellers und eine Seriennummer entdeckt hatte, war das bereits der Durchbruch gewesen. Wegen der winzig kleinen Einprägung hatte sie sich allerdings erst Valerie Jennings ’ Brille ausleihen müssen, eine Angewohnheit, die ihre Kollegin zunehmend verärgerte. Auch dieses Mal hatte die Bitte ein verzweifeltes Stöhnen zur Folge, das selbst die Würmer unter der Erde aufgewühlt hätte, doch Hebe Jones schien nichts mitbekommen zu haben. Valerie Jennings war in einer Welt beängstigender Schemen versunken und hatte ihrer Kollegin nicht zum ersten Mal vorgeschlagen, sie möge doch einen Sehtest machen. »Im Alter werden die Augen nun mal schlechter«, hatte sie erklärt.
»Eine alte Henne ist vierzig Küken wert«, hatte Hebe Jones geantwortet, als sie die Brille schließlich zurückgebracht hatte.
Jetzt wählte sie die Nummer des Besitzers in Å rhus, die sie von der Sekretärin des Glasaugenproduzenten bekommen hatte, und kritzelte auf ihrem Mousepad herum.
»Hallo«, meldete sich schließlich jemand.
»Hallo«, wiederholte Hebe Jones
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