Der verbotene Turm
nicht wieder an zu weinen, dazu hast du die Kraft nicht. Weißt du nicht, daß du heute Nacht die Krise hattest? Du hattest eine Konvulsion. Ich habe dir Raivannin gegeben – du weißt ebenso gut wie ich, was das bedeutet, Callista.«
Sie hatte kaum noch die Kraft zu flüstern: »Ich glaube … es wäre für uns alle besser …«
Damon ergriff behutsam ihre Handgelenke. Diese Handgelenke waren so schmal, daß selbst Damons Hände, die nicht groß waren, sie ganz umspannen konnten. Er spürte Andrews vorwurfsvollen Blick und erklärte müde: »Sie hat nicht die Kraft für eine neue Konvulsion.«
Andrew stand am Rand eines Zusammenbruchs. »Bin ich auch daran schuld? Wird es immer gefährlich sein, wenn ich sie berühre?«
»Mach Andrew keinen Vorwurf, Damon …« Callistas Stimme war nur ein Hauch. »Ich habe es gewollt …«
»Siehst du?« sagte Damon. »Wenn ich dich von ihr fern halte, möchte sie sterben. Wenn ich es zulasse, daß du sie berührst, wird die körperliche Anspannung schlimmer und schlimmer. Ganz abgesehen von der seelischen Belastung, die euch beide zerreißt, kann sie physisch nicht mehr viel aushalten. Es muß schnell etwas geschehen, bevor …« Er brach ab, aber sie alle wußten, was er nicht aussprach: Bevor sie wieder in Krämpfe verfällt, gegen die wir dann nichts mehr tun können.
»Du weißt, was getan werden muß, Callista, und du weißt, wie viel Zeit dir bleibt, deinen Entschluß zu fassen. Verdammt, Callie, glaubst du, mir macht es Spaß, dich zu quälen, wenn du in diesem Zustand bist? Ich weiß, daß du körperlich auf der Stufe eines Mädchens von zwölf stehst, aber du bist kein Kind. Willst du dann nicht aufhören, dich wie ein Kind zu benehmen? Bringst du es gar nicht fertig, dich wie eine Erwachsene mit einer gründlichen Berufsausbildung zu verhalten? Hör auf, die Sache rein emotional zu betrachten! Was wir hier haben, ist eine nackte Tatsache. Du bist eine Bewahrerin …«
»Das bin ich nicht! Das bin ich nicht!« keuchte sie.
»Dann zeig wenigstens etwas von dem gesunden Menschenverstand und dem Mut, den du als Bewahrerin gelernt hast! Ich schäme mich für dich. Dein Kreis würde sich für dich schämen.«
»Verdammt noch mal, Damon«, begann Andrew, aber Ellemir packte mit flammenden Augen seinen Arm. »Halt dich da heraus, – du Trottel«, flüsterte sie. »Damon weiß, was er tut. Ihr Leben steht auf dem Spiel!«
»Du hast Angst«, sagte Damon höhnisch, »du hast Angst! Hilary Castamir war noch keine fünfzehn, aber sie ertrug es länger als ein Jahr, daß ihre Kanäle alle vierzig Tage gereinigt wurden! Und du hast schon Angst davor, daß ich dich anfasse!«
Callista lag unter Damons hartem Griff flach in den Kissen. Ihr Gesicht war tödlich blaß, aus ihren Augen begannen Flammen zu lodern, wie es noch keiner der Anwesenden erlebt hatte. Ihre Stimme, so schwach sie war, bebte von solchem Zorn, daß es wie ein Schrei war.
»Du! Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen, du, den Leonie wie einen wimmernden Welpen aus Arilinn weggeschickt hat, weil du den Mut nicht hattest! Was glaubst du, wer du bist, daß du so mit mir sprichst?«
Damon stand auf und ließ sie los, als ob er fürchte, so schien es Andrew, daß er sie erwürgen werde, wenn er sie nicht freigab. Wieder stand die trübrote Zornesglut um ihn. Andrew ballte die Fäuste, bis er das Blut unter den Nägeln sehen konnte, und kämpfte dagegen an, daß sich alle wieder in wirbelnde Energiefelder auflösten.
»Wer ich bin?« brüllte Damon. »Ich bin dein nächster Verwandter, und ich bin dein Techniker, und du weißt ganz genau, was ich sonst noch bin. Und wenn ich dich nicht zur Vernunft bringen kann, wenn du von deinem Wissen und deiner Urteilsfähigkeit keinen Gebrauch machen willst, dann werde ich – das schwöre ich dir, Callista von Arilinn! – Dom Esteban herauftragen lassen, damit du versuchen kannst, deine Launen an ihm auszulassen! Wenn dein Mann dich nicht zur Einsicht bringen kann und wenn es dein Techniker nicht kann, dann, mein Mädchen, setze dich mit deinem Vater auseinander! Er ist alt, aber er ist immer noch Lord Alton, und wenn ich ihm erkläre …«
Weiß vor Wut sagte Callista: »Das würdest du nicht wagen!«
»Warte es ab.« Damon drehte ihr den Rücken und blieb unbeweglich stehen, sie alle ignorierend.
Nervös blickte Andrew von Damons Rücken zu Callista, die bleich und zornig in ihren Kissen lag und nur durch ihren Zorn bei Bewußtsein gehalten wurde. Würde
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