Der verbotene Turm
Angst. Hatte er sie oder sich selbst für die kommende Schlacht geschwächt? Konnte Callista ihre Kanäle schnell genug reinigen?
Und dann ließ er sich in Callistas Bewußtsein sinken und stellte fest, daß die Kanäle immer völlig sauber sein würden, wie sie es für die eine oder andere Funktion haben wollte. Sie brauchte keinen Kireseth mehr. Jetzt hatte sie gelernt, wie sie die Kanäle von sexuellen Botschaften umschalten mußte zur vollen Kraft des Laran . In Damon wuchs die Zuversicht, daß sie mit allem fertig werden konnten, was auf sie zukam.
Widerstrebend gestand er sich ein, warum der Gebrauch des Kireseth aufgegeben worden war. Als seltener und sakramentaler Ritus war er ungefährlich und notwendig. Er half den Bewahrerinnen, sich ihrer normalen Menschlichkeit zu vergewissern, und er festigte die engen Bande der alten Turmkreise, jener Bande, die enger waren als die der Verwandtschaft und des sexuellen Begehrens.
Aber die Droge konnte zu leicht zur Flucht und zur Sucht werden. Würden Männer, wenn dies Mittel zur Verfügung stand, je die gelegentlichen Zeiten der Impotenz nach anstrengender Arbeit in Kauf nehmen? Würden Frauen die Disziplin aufbringen zu lernen, wie sie die Kanäle rein hielten? Bei übermäßigem Gebrauch war Kireseth gefährlich. Tausend Geschichten über die Geisterwinde in den Hellers machten das klar. Und die Versuchung zum übermäßigen Gebrauch würde beinahe unwiderstehlich sein.
So hatte sich das Tabu zuerst darauf bezogen, daß Kireseth nur selten und im sakramentalen Ritus gebraucht werden durfte. Später war ein absolutes Verbot daraus geworden. Diese Nacht würde immer zu den schönsten Erinnerungen seines Lebens gehören. Und doch sagte sich Damon bedauernd, daß schon das Jahresende-Ritual eine zu große Versuchung darstellen mochte. Es hatte sie unbeschadet über die letzte Barriere zu ihrer vollständigen Vereinigung gebracht, aber in Zukunft mußten sie sich auf Disziplin und Entsagung verlassen.
Entsagung? Niemals, wenn sie einander hatten!
Und doch, wenn alle Zeiten gleichzeitig existierten, würde diese magische Stunde ihnen immer so gegenwärtig und wirklich bleiben, wie sie jetzt war.
Voller Liebe fühlte er die Anwesenheit aller um sich und war traurig, weil sie sich trennen mußten. Er seufzte. Dann weckte er einen nach dem anderen.
»Die Sonne geht bald auf«, erklärte er nüchtern. »Sie werden die Bedingungen genau einhalten, aber sie werden uns auch keinen Augenblick schenken. Deshalb müssen wir auf sie gefaßt sein. Es ist Zeit, uns auf das Duell vorzubereiten.«
22
Es war die tiefe Dunkelheit, die der Morgendämmerung vorausgeht. Damon stand am Fenster, das noch nicht einmal einen Grauschimmer des kommenden Lichts zeigte, und fühlte sich unbehaglich. Der Freudentaumel war immer noch in ihm, aber gleichzeitig machte sich eine bohrende Unsicherheit breit.
War es doch falsch gewesen, das zu tun? Nach allem, was er in Arilinn gelernt hatte, müßte es ihn schwächen, ihn für den bevorstehenden Kampf untauglich machen. Hatte er den tragischsten und unwiderruflichsten aller Fehler begangen? Hatte er, der er sie alle liebte, sie zum Tod und Schlimmerem verdammt?
Nein. Er hatte ihrer aller Leben auf die Richtigkeit dessen gesetzt, was sie taten. Wenn die alten Regeln von Arilinn nun trotzdem richtig waren, dann verdienten sie alle zu sterben, und er würde den Tod hinnehmen, zwar nicht freudig, aber zumindest mit einem Gefühl, Gerechtigkeit zu erfahren. Sie arbeiten für eine neue Tradition, weniger grausam und verkrüppelt als die, von der er sich losgesagt hatte, und sein Glauben, daß sie auf dem rechten Weg waren, müßte triumphieren.
Er hatte sich gegen die Kälte der Überwelt in eine warme Robe gehüllt. Callista hatte sich ebenso gekleidet und einen wolligen Schal um Ellemirs Schultern gelegt. Andrew, der in seinen Reitmantel aus Pelz schlüpfte, fragte: »Was genau wird geschehen, Damon?«
» Genau? Es gibt keine Möglichkeit, es dir zu erzählen«, antwortete Damon. »Es ist die alte Prüfung für einen Bewahrer, Wir wollen unsern Turm in der Überwelt bauen, und sie werden versuchen, ihn zu zerstören, und uns mit ihm. Wenn sie ihn nicht zerstören können, müssen sie anerkennen, daß er gesetzlich ist und ein Recht hat, da zu sein. Wenn sie ihn zerstören … nun, du weißt, was dann passieren wird. Deshalb dürfen wir es ihnen nicht erlauben.«
Callista sah blaß und ängstlich aus. Er nahm ihr Gesicht behutsam zwischen
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