Der verflixte Bahnhofsbau
zweifellos Henner Blaus Werk. Ich werde ihn heute abend verhaften!“
Damit wendet er sich um und eilt nach Hause, um sich vor dem Kampfe, der ihn ja sicherlich erwartet, noch mal zu rasieren. Der Bürgermeister folgt ihm bald. Meister Wuttig aber bleibt so lange bei seinen Gesellen, bis der letzte Stein verbraucht ist. Dann befiehlt er Feierabend.
DAS FÜNFTE KAPITEL
Die Räuberhöhle wird gefunden,
der Räuber aber ist verschwunden.
Am Abend wartet Tatta Knobel am Marktbrunnen auf Henner Blau. Er will diesmal nicht mit Liedern gegen ihn kämpfen, sondern ihn verhaften. Aber der Räuber kommt nicht, obwohl er sonst immer so pünktlich ist wie Herr Lubesam, wenn er morgens mit dem Unterricht beginnt. Das findet Tatta Knobel merkwürdig, und es macht ihn wütend. Den klugen Männern, die vom „Dicken Fidi“ aus die Verhaftung miterleben wollen, ruft er zu: „Der feige Kerl läßt sich nicht blicken, er weiß genau, was ihm blüht!“
Nun gibt es für ihn keinen Zweifel mehr daran, daß Henner Blau der Dieb ist. Die Männer, um ein schönes Schauspiel betrogen, schimpfen um die Wette. Tatta setzt sich zu ihnen und hilft ihnen eine Weile beim Leeren der vielen Gläser. Am nächsten Tag aber ergreift er ernste Maßnahmen.
Er läßt sich aus England per Eilpost einen Hund schicken, einen besonders klugen, der einen Räuber schon riecht, wenn er noch gar nicht da ist. Mit dem Hund erscheint er jeden Abend am Brunnen und richtet ihn ab. Ebax, so heißt der Hund, ist wirklich ein erstaunliches Tier. Als Tatta sagt: „Kusch dich!“, läuft er siebenmal um den Brunnen und versucht, sich in den Schwanz zu beißen. Und auf das Kommando „Greif, Ebax!“ legt der Hund sich hin und läßt die Ohren hängen. Er spricht oder bellt wohl vorerst nur Englisch. Manchmal singt Tatta mit besonders tiefer Stimme das Räuberlied von Henner Blau und ruft dann: „Such, Ebax, bring Herrchen den bösen Räuber!“ Das versteht das edle Tier aber anscheinend noch falsch, denn es läuft stets knurrend auf den Polizisten zu, faßt ihn mit seinen scharfen Zähnen am Hosenbein und zerrt ihn quer über den Marktplatz.
Tatta meint das aber anders und schimpft laut. Entweder lernt der Hund bald Deutsch oder Tatta Englisch, sonst wird es zwischen den beiden noch viel Ärger geben.
Jedoch ist der englische Hund nicht des Polizisten einziger Schachzug gegen den Räuber, der nun keinen Abend mehr zum Brunnen kommt. O nein, Tatta hat noch einen Einfall. Er nimmt nämlich Calli Zabel in seine Dienste, den Mann mit den größten Ohren aus Hasenkrug, Wiesengrün und Mückental zusammen. Seine Ohren sind so groß, daß er sie einem Elefanten zum Geburtstag schenken könnte. Er kann wackeln damit und sie nach allen Seiten in den Wind stellen. Jochen Krumm meint sogar, daß er sie spitzen könne wie ein Schäferhund. Aber das ist sicherlich übertrieben. Jedenfalls sind es ganz besondere Ohren. Und diese Ohren, so hat es Tatta Knobel befohlen, lauschen nun Tag und Nacht von Schlächtermeister Bratings Dachzimmerfenster aus zum Bahnhof hinüber. Sie fangen jedes Geräusch auf, das da entsteht. Wenn Calli den Steinedieb hört, meldet er es Tatta, und der fängt ihn. Eine einfache und sichere Sache.
Heute will Tatta mit seinem Hund den gesamten Brakenbusch absuchen, um Henner Blaus Höhle zu finden. Jochen Krumm wird ihn begleiten, weil er früher mal neben einer Polizeischule gewohnt hat.
Calli Zabel ist auf dem Posten. Er preßt sein Riesenohr an die kühle Scheibe von Bratings Dachfenster. Natürlich könnte er jetzt, am hellen Tage, auch zum Bahnhof hinübersehen, aber er verläßt sich lieber auf seine Ohren.
Tatta Knobel biegt eben in die Schulstraße ein. Er hält den Hund an einer langen Leine und öffnet im Weitergehen alle Mülltonnen. Es könnte ja sein, daß Henner Blau sich da versteckt hält. Ein rechter Polizist sucht eben immer erst da nach einem Räuber, wo ein gewöhnlicher Mensch gar keinen vermuten würde. Aber es scheint, als suche er diesmal doch am falschen Ort. Henner Blau ist in keiner der vielen Mülltonnen.
Ebax ist ein verteufelt schnelles Tier. Er springt über Zäune, rennt um Lampenpfähle und schlüpft seinem Herrn durch die Beine. Tatta hat alle Hände voll zu tun, die Leine immer wieder zu entwirren. Englisch hat er bisher nicht gelernt, denn er schimpft noch auf Deutsch.
Da kommt auch Jochen Krumm. Er sieht ganz verändert aus ohne seinen Leierkasten. Sie begrüßen sich und gehen dann gemeinsam
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