Der verflixte Bahnhofsbau
seine Hose unter dem Kopfkissen. Das Dumme ist nur, daß er sich in der Nacht, als Calli Zabel ihn zum zweitenmal holen will, nicht an dieses Versteck erinnert und wieder zwanzig Minuten suchen muß, bis er sie findet. Es ist nicht leicht, Polizist zu sein, wenn man seine Hosen vor dem eigenen Hund verstecken muß.
Die Maurergesellen haben den Bahnhof inzwischen weitergebaut. Die Rückseite ist mannshoch, und vorne sind schon die Lücken für die Fenster zu erkennen. Maurermeister Wuttig hat dafür gesorgt, daß der Bauplatz aussieht wie eine Schutthalde. Aus der Mückentaler Ziegelei wird täglich neues Baumaterial angefahren, immer doppelt soviel, als die Maurer brauchen. Gestern fand Tatta Knobel die Steine hinter der Räuberhöhle. Er ließ sie sofort mit einem Lastwagen zum Bahnhof bringen. Da liegen sie jetzt, aufgestapelt und mit einer Plane zugedeckt, und demnächst sollen sie vermauert werden. Von Henner Blau selbst aber fehlt jede Spur. Wie die Dinge stehen, kann er nur durch einen Zufall entdeckt werden.
Vorgestern abend band Tatta seinen Hund an eine frischgemauerte Wand des Bahnhofs. Er sollte den Dieb bei seiner gemeinen Tat ertappen und mit den Zähnen festhalten. Am Morgen war die schöne Wand umgerissen und der Hund verschwunden. Tatta Knobel behauptete zwar, der Dieb hätte die Mauer umgestürzt, um die Steine auch noch mitzunehmen. Aber Schlächtermeister Brating sagte offen, das hätte der Köter getan und er verdiente, daß man Leberwurst aus ihm machte.
Am Freitagnachmittag schreitet der Bürgermeister mit ernster Miene auf den Marktplatz. In der Hand schwingt er eine helle Glocke. Alle Fenster öffnen sich. Kinder und Erwachsene laufen auf die Straße.
„Meine lieben Mitbürger!“ ruft der Bürgermeister mit lauter Stimme. „Henner Blau ist viel schlauer, als wir dachten. Zwar hat unser tüchtiger Polizist seine Höhle ausgekundschaftet und die gestohlenen Steine entdeckt, aber er hat von ihm selbst nicht mal einen Hosenknopf gefunden. Wir müssen alle mithelfen. Darum fordere ich euch auf, mit mir den gesamten Brakenbusch zu durchkämmen, damit der Bursche uns endlich in die Hände gerät! Bewaffnet euch mit Besen, Teppichklopfern und Bratpfannen und folgt mir! Es geht um die Ehre unserer Stadt!“
Nach diesen Worten entsteht unter den Hasenkrügern ein Gelaufe und Gehaste wie beim Schützenfest. Alle haben eine große Wut auf den Räuber, der die Steine stiehlt, für die sie ihre Groschen geopfert haben. Und darum sind sie gern bereit, den Bürgermeister zu begleit ten. Nur der Feuerwehrhauptmann entschuldigt sich. Er müsse noch mal seine Pumpe nachsehen. Jochen Krumm holt seine Orgel aus dem Schafstall und spielt den Schützenmarsch:
„Rattabum, der Schuß, der traf hinein,
der Adler wird gleich unten sein!“
Das gibt die rechte Stimmung. Die Leute laufen in die Häuser und erscheinen bald mit Waffen aller Art. Sie tragen Beile, Hacken, Besen, Spaten, Nudelrollen, Heckenscheren und Küchenmesser. Mit Musik und Gesang geht es in den Brakenbusch hinein. Der kleine Fidi hält einen löcherigen Topf in der Hand und trommelt mit einem Kochlöffel den Takt. Viele Leute haben bei dem überstürzten Aufbruch ihre Haustüren weit offen gelassen. Sie fürchten nicht, daß sie jemand bestiehlt. Der einzige Mann, der so etwas tun könnte, der Räuber Henner Blau, hat sich ja im Brakenwald versteckt.
Kaum ist der letzte der mutigen Bürger hinter Büschen und Bäumen verschwunden, da schleicht jemand durch die offene Tür des Bürgermeisterhauses und nimmt den Braten vom Küchenherd. Er geht damit auf den Marktplatz, setzt sich vor den Brunnen und ißt ihn in aller Ruhe auf. Und wer ist es? Ein Dieb, der gar nicht aussieht wie Henner Blau. Er hat vier Beine und einen langen Schwanz, hört auf den Namen Ebax und stammt aus England. Niemand anders als Tatta Knobels kluger Polizeihund stillt hier seinen riesengroßen Hunger an des Bürgermeisters Schweinebraten. Er leckt sich genießerisch das Maul und holt sich dann zum Nachtisch einen gefüllten Bienenstich und eine Kiste Negerküsse aus Bodenluks Bäckerladen. Wenn die Hasenkrüger zurückkehren, haben sie Grund, sich zu wundern.
Der Feuerwehrhauptmann, der als einziger in der Stadt geblieben ist, putzt hinter dem Spritzenhaus an den Geräten herum. Er hat keine Augen für stehlende Polizeihunde.
Jetzt kommt jemand mit festen Schritten aus dem Kleinen T, marschiert am hellichten Tage einfach durch Hasenkrug in seinem
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