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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Ponys setzten Huf um Huf voreinander, die Hälse tief gebeugt; es sah aus, als würden sie im Gehen schlafen, und vielleicht taten sie das auch.
    Finn zog seinen Mantel enger um sich und versuchte, nicht an die hinter ihm liegenden Toten zu denken. Dann nickte er irgendwann trotz des kühlen Windes unter dem Geräusch der gleichmäßig klappernden Hufe wieder ein.
    Als er abermals hochschreckte, dachte er, er erwache erneut aus einem fürchterlichen Traum. Er meinte zunächst, er führe mit Mellow durch das nächtliche Wirrelbachtal und würde bald Anselma und Banavred Borker wiedersehen; und alle seine Erinnerungen an Gräuel über Gidrogs und Menschen und grässliche Vögel seien nur Schatten jenes Traums, die mit dem beginnenden Morgen verblassen würden. Er drehte sich um, aber niemand schritt hinter ihnen her und sicherte ihre nächtliche Fahrt. Für einen Moment fürchtete er, dem Mönch sei etwas geschehen, während er selbst vor Erschöpfung geschlummert hatte. Doch dann sah er undeutlich Circendils graue Gestalt im Wagen vor ihnen hocken. Eine der Laternen baumelte an einer Stange vor seinem Gesicht, und sein breiter Rücken war in der sie umgebenden Finsternis kaum noch zu erkennen, denn die dichten Wolken waren immer noch über ihnen, und es wetterleuchtete im Westen. Und sosehr Finn es sich auch wünschte, die Sonne ging nicht auf. Also war es doch noch nicht früher Morgen, und er erwachte auch nicht aus einem Traum. Jeder Muskel und jeder Knochen seines Körpers beklagte sich weiterhin, und er wusste plötzlich wieder, dass dies alles wahr und wirklich geschehen war. Oder, dachte er schaudernd, es war dies alles ein noch weit schlimmerer Albtraum   – einer, den er womöglich noch immer träumte und aus dem er nicht mehr zu erwachen vermochte.
    Als Mechellinde vor ihnen auftauchte, rochen sie es eher, als sie es sahen   – schon von weitem kroch ihnen der Gestank von versengtem Fisch in die Nasen. Darüber verbreitete sich der ranzige Brandgeruch, den die verkohlten Hölzer und schwitzenden Steine verströmten.
    Der Dornenheckenzaun lag verlassen da und verschwand als dunkler Strich in den schattigen Wiesen zu ihrer Linken. Das Wasser der Mürmel war ein schwarzes Band zu ihrer Rechten. Sie fanden das Zauntor verschlossen, aber unbewacht. Das Tor war ein breites Gatter und nicht als Schutz gegen anrückende Feinde gedacht, denn Feindschaft war den Vahits bisher fremd; es sollte Hühnerund Schafe zurückhalten, mehr nicht. Finn sprang ab und schob es auf, und die beiden Wagen rumpelten ins Dorf. Er verschloss das Gatter wieder, ehe er zu Mellow zurück auf den Kutschbock stieg.
    Das Feuer des Brochs war inzwischen heruntergebrannt, aber nicht ganz erloschen. Glut schwelte noch an den unteren und dicksten Steinen, und immer noch ging wie eine Welle eine große Hitze von ihnen aus. Rot glühende Augen schienen sie aus verborgenen Mauerritzen anzustarren, als sie daran vorüberfuhren. Einzelne, schwarze, eingeknickte Dachsparren ragten aus dem oberen Mauerkranz heraus wie verfaulte Zähne aus einem zum Himmel gerichteten Maul; das Dach selbst war eingebrochen. Rings um den Rundbau war das Gras verkohlt. Der Wind hatte indes alle Ascheflocken vertrieben. Als sie die schmale Brücke hinter dem Broch passierten und in die Straße der Schneider einbogen, sahen sie voraus gelbliche Lichter scheinen: Fackeln beleuchteten den Verhau, der die Straße nunmehr vollständig verbarrikadierte. Dahinter lugten mit Stangen bewehrte Vahits hervor. Sie trugen rote Hüte. Die Wagen wurden angerufen, als sie bis auf zwanzig Klafter heran waren.
    »Halt!«, hörten sie eine heisere Stimme. »Wer kommt dort in der Nacht?«
    Rorig im vorderen Fuhrwerk antwortete. »Lasst uns durch. Wir sind erschöpft und müde. Wir sind aus Rudenforst   – oder wir waren es, denn ob es noch steht, wissen wir nicht. Lasst uns durch.«
    Bewegung kam in die Reihen der Vahits hinter dem Verhau. Einige wollten eilends eine Lücke schaffen, doch dieselbe Stimme hinderte sie.
    »Halt! Halt, sage ich!«, krächzte der Vahit, der sie angerufen hatte, abermals unter seinem breitrandigen Hut hervor.
    Nun erkannten ihn Finn und Mellow trotz seiner Heiserkeit: Es war Bholobhorg Feldschwirl, der da sprach. Offenbar befehligte er die Verteidiger des östlichen Marktplatzabschnitts, und seiner rauen Stimme nach zu urteilen, tat er das lautstark und schon den ganzen Abend über. »Zurück!«, rief er. »Niemand lässt hier irgendwen durch! Wer weiß

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