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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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umgestürzten Wagens und drückte Gatabaid an sich. Das Mädchen verbarg ihr Haupt in den Armen der älteren Frau. Mellows Mutter sprach leise auf das Kind ein, strich ihr über den Haarschopf und versuchte, es zu beruhigen. »Es ist vorbei«, sagte sie viele Male. »Sie sind fort.« Gatabaid aber blieb stumm und mochte den Kopf nicht heben.
    Rorig Rohrsang besaß offenbar, gleichwohl er alle Haare eingebüßt hatte, einen Sturschädel, wie ihn nur irgendein Vahit haben konnte   – er war bei Bewusstsein, saß auf einem Futtersack und tupfte sich mit einem Tuch die zerschundene Stirn.
    »Er hat’s nich’ geschafft«, sagte er, als seine Söhne bei ihm standen, und deutete mit dem Kopf auf Machlan Milan. »Kam nich’ mal mehr zu sich. Ist besser so, wenn ihr mich fragt. Hat alles verloren, der arme Kerl, und auch sein Arm wär nicht zu retten gewesen.« Der Rudenforster, der noch am Morgen alle Warnungen in den Wind geschlagen hatte, lag nun mit für immer geschlossenenAugen im kalten Gras. Wie zum Hohn spielte der Wind mit seinen ergrauten Haaren.
    Beide Ponys waren tot.
    Als Circendil und die Vahits den Wagen mit vereinten Kräften aufrichteten, fanden sie ihn wider Erwarten fahrbereit: Alle Räder waren heil geblieben, Deichsel und Achse ließen sich bewegen, und nur die Sitzbank war in der Mitte zerbrochen. Sie legten den Futtersack auf die Splitter, und so würde es für eine kurze Weile gehen. Gwaeth wurde vor den Wagen der Rohrsangs gespannt. Circendil hob Dhela, deren Fuß gebrochen war, und Gatabaid, die nicht von ihr lassen wollte, hinauf. Rorig kletterte auf den Sack, der jetzt als Kutschbock diente, und lenkte das Gefährt vorsichtig zur Straße zurück.
    Circendil winkte Mellows Brüdern, ihm zu folgen.
    Finn und Mellow spannten ihre Ponys wie zuvor schon vor den verwaisten zweiten Wagen: jenen mit den Leichen der beim Mürmelkopf gefallenen Vahits.
    Finn dachte zunächst, der Medhir sei zu den toten Gidrogs zurückgegangen, um seinen Mantel zu holen. Dann sah er Kampo und Sahaso, die mit ihm die verstreut herumliegenden Axtschwerter einsammelten; alle drei kamen schwer bepackt über die Wiese zur Straße und luden ihre Last auf der Pritsche ab.
    »Ehe du fragst: Ich weiß auch nicht, was er damit will«, raunte Kampo Mellow zu, ehe er sich als Letzter auf den vorderen Wagen schwang.
    Circendil musterte den Nachthimmel. Dann gab er Rorig ein Zeichen. Knarrend setzten sich die Gefährte in Bewegung. Die Straße lag verlassen da, und nur der Fluss gluckste neben ihnen und säuselte über flache Steine.
    Die Wolkenberge hingen jetzt unmittelbar über dem Mürmeltal, und das wenige Licht der Sterne verschwand nach und nach zur Gänze. Sie sahen nicht mehr als die Hand vor Augen. Schon dachte Finn, Circendil würde sie irgendwie durch die Finsternis geleiten, doch zu seiner Verwunderung gestattete er das Entzünden zweierLaternen. In ihrem Licht setzte sich der Tross wieder in Bewegung. Ruckelnd und knirschend kamen die Räder in Fahrt.
    Finn hockte neben Mellow auf dem Sitz und merkte, wie ihn eine grenzenlose Müdigkeit überkam, kaum dass sie eine oder zwei Meilen weit gefahren waren.
    »Ich bin in letzter Zeit einfach zu wenig ins Bett gekommen«, dachte er benommen. Vielleicht sprach er es auch aus, denn Mellow neben ihm nickte. Finn dachte nach, wann er das letzte Mal zu Hause in Moorreet in seiner eigenen Kammer friedlich geschlafen hatte. Es schien ihm Jahre her zu sein, und er merkte, dass er nicht einmal mehr wusste, welcher Tag heute eigentlich war. Oder morgen, falls dann die Sonne noch einmal aufging. Die Augen fielen ihm zu, bis ein Huckel ihn schmerzhaft daran erinnerte, dass mangelnder Schlaf noch das wenigste war, was ihm in letzter Zeit widerfahren war. Über seinem Versuch, die eine heile Stelle in seinem Leib zu finden, die nicht wehtat, wurde er wenigstens wieder so weit munter, dass er sich nach Circendil umdrehen konnte. Der Davenamönch schritt, fünfundzwanzig oder dreißig Klafter entfernt, hellwach hinter den Wagen her und bildete ihre Nachhut. Sein Mantel bauschte sich im Rückenwind, wann immer er sich umdrehte, um nach hinten und zu den Seiten zu sichern. Für Sekunden umfing ihn mattes Sternenlicht. Ihre Blicke trafen sich. Der Mönch neigte den Kopf und lächelte. Keine Gefahr, hieß das, und Finn winkte ihm dankbar zu.
    Mellow saß stumm neben ihm und ließ die Zügel hängen; allein dadurch verriet er, dass es ihm nicht viel besser als seinem Freund erging. Die beiden

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