Der verlorene Freund: Roman (German Edition)
wegen der Torres García zu, die neulich bei Christie’s versteigert worden waren. Er wusste, dass sie dort gewesen war und wie viel man für die Bilder bezahlt hatte, wollte jedoch den Käufer ermitteln, ein arabischer Konzern, habe er gehört, vielleicht auch ein einzelner Araber, er brauche ihre Hilfe, sonst werde man ihn zu den Gewerkschaften abkommandieren, doch wenn er den Namen des Käufers herausfinde, müsse er sich nicht auf den Versammlungen des Kraftfahrerverbands zu Tode langweilen, sondern dürfe weiterhin Sekt mit so intelligenten Menschen wie ihr trinken. Sicherhielt er sich für ausgesprochen witzig, scharfzüngig und weltmännisch. Gerade wollte er wieder loslegen, doch ich bat ihn, einen Moment zu warten, nahm Wanda beim Arm und sagte, die Frau des Botschafters wolle sie kennenlernen; wir ließen den lästigen Kerl verdutzt stehen, bahnten uns mühsam einen Weg in den Saal und gingen durch eine andere Tür wieder hinaus in den Garten, wo sich die Menge hinten im Schatten der Bäume zerstreute.
Kaum hatten wir uns auf zwei unbequemen Stühlen niedergelassen, schimpfte sie über die Journalisten. »Alles im Eilschritt, die Welt ist dringend!«, sagte sie. »Als müsste rasch einer alten Frau vom Boden aufgeholfen werden.«
»Und Sie sorgen sich um die alte Frau.«
»Nein, nicht mehr. Aber sie sind einfach zu schnell für uns, Sie und ich können sie nicht mehr einholen.«
»Nur zu, immer weiter, Jungs …«
Zum ersten Mal lächelte sie mich an und schien an ihrem Bild von mir zu zweifeln. Rasch fügte ich hinzu, sie habe mich nicht angetroffen, weil ich auf Reisen gewesen sei. Wieder lächelte sie, aber diesmal bewegte sie den Stockknauf und senkte den Blick.
»Ich war wohl nicht sehr höflich«, sagte sie.
»Und ich konnte leider nicht mit dem Gemälde weiterhelfen.«
»Nun, ich hoffe, Sie sind nicht enttäuscht, zu hören, dass das Sáez-Porträt wieder im Haus ist.«
»Ganz im Gegenteil, und es überrascht mich nicht.Schon immer hatte ich meine Zweifel an Lerenas Geschmack.«
Ihr Blick wanderte kurz über den Garten, vielleicht auf der Suche nach einem Bekannten oder mit einer Spur Bedauern.
»Sie sind also ein großer Leser«, sagte sie schließlich.
»Hält sich in Grenzen, um ehrlich zu sein. Und das war einmal. Neue Welten öffnen sich, und wie die jungen Dinger, die ins Kino gehen, um zu weinen, hasst man sich am Ende selbst.«
»Sie verachten sich also selbst?«
»Ein bisschen, ja, wie bei Ihrem Bruder.«
Wanda schlug die Augen nieder und sah mich dann mit dem harten Glanz unserer ersten Begegnung an.
»Der arme Waldemar«, sie nahm sich zusammen. »Sie mochten ihn …«
»Ja, obwohl wir nach seinem Tod noch bessere Freunde wurden. Ich weiß, das ist nicht einfach zu verstehen, aber so war es. Trotzdem begreife ich noch immer nicht, warum er mit diesem Kreuz nicht fertigwurde.«
»Darüber hatten wir nicht geredet«, warf sie ein, »oder irre ich mich?«
»Sie irren sich nicht. Doch damals konnte ich Gold nicht von Limonit unterscheiden, kannte nicht mal Minas de Corrales.«
Sie sagte, sie müsse gehen, sie komme zu spät zu einer Verabredung, sei aber bereit, ein andermal überWalli zu reden. Ich bedankte mich und half ihr beim Aufstehen. Sie wiegte den Kopf, ging los und hielt nach wenigen Schritten wieder inne.
»Kommen Sie am Freitagabend zum Essen«, sagte sie, »dann lernen Sie Marcelo kennen.«
Ich begleitete sie bis auf die Straße, rief ihr ein Taxi, und beim Einsteigen schienen ihr Zweifel wegen der Einladung zu kommen. Ich glaube, sie wollte gerade etwas sagen, doch der Fahrer fuhr los, bevor sie dazu kam.
Freitag um acht bespritzte ich mich mit Duftwasser und duschte mich gleich wieder ab, um halb neun zog ich ein Sakko aus und wieder an, um halb zehn klingelte ich bei Wanda, und zwei Rottweiler liefen herbei, um zu sehen, wer da störte. Das Dienstmädchen rief sie zu sich, während es mit einer Fernbedienung das Gittertor öffnete, und kaum war ich ins Haus getreten, kam Wanda zur Begrüßung aus dem Zimmer, in dem wir das letzte Mal geredet hatten, stellte meinen patagonischen Wein auf ein Schränkchen im Gang und führte mich in einen großen Raum, der über zwei Ebenen ging. Auf der, die wir betraten, bewegten sich Hausangestellte um einen Mann an einem Tisch, über dem linker Hand ein phantastischer Chagall hing, und auf der unteren Ebene war ein Kamin mit Stühlen zu sehen, den tagsüber gewiss das Licht vom großen Gartenfenster überflutete. In
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