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Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos María Domínguez
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diese Schuld bezahlen müssen, wie ein Geliebter oder ein Hund. Er hatte ihre Ehe zerstört und musste sie glücklich machen, egal wie. Als er mich dann ins Polizeirevier kommen sah und hin und her lief, ohne aufzublicken, da hörten wir beide wieder das Türenschlagen, das Hämmern und Schreien, denn er wiederholte exakt die Schritte von damals, in dem Zimmer, in dem sie uns eingeschlossen hatten. Drei nach rechts, zwei nach links, einen nach rechts. Es war nicht auszuhalten.
    Ich weiß nicht, was man Ihnen dort erzählt hat, ein befreundeter Richter hatte mich verständigt, und erschrocken über meine eigene Wut, fuhr ich hin, um ihm aus der Patsche zu helfen, in die er sich selbst gebracht hatte. Nachher hat er es mir gedankt, dass ich ihm nicht die Meinung gesagt habe, denn dieganze Zeit über sprachen wir kaum ein Wort, weder all die Stunden im Gericht von Rivera, wo wir die Kaution bezahlen mussten, noch auf der Rückfahrt nach Montevideo. Aber beide wussten wir, dass ich es doch getan hatte. Er war nicht besser als ich, als Bruno, Marcelo oder der Großvater, als Vater oder Mutter, wie er immer geglaubt hatte. Eine Schwester braucht nicht viele Worte, um das zu sagen.«
    Wanda stand mühsam auf und bat um meinen Arm, bevor wir zu den Sesseln hinuntergingen.
    »Diese Stufen bringen mich noch um«, klagte sie. Wir setzten uns, sie schenkte den Kaffee ein, den das Dienstmädchen neben drei Körben mit Pralinen, Schokolade und Konfekt gestellt hatte, die jede Unterhaltung versüßt hätten, nur nicht die unsere, und ich fragte, ob er ihr erzählt habe, warum er das Kreuz mitgenommen hatte. Sie schüttelte den Kopf.
    »Walli war zu stolz, um mit mir darüber zu reden. Ich erfuhr von dem Kreuz erst, als mich der Richter anrief, und auch später, als ich ihm einen Anwalt besorgt und ihn veranlasst hatte, Berufung einzulegen, schwiegen wir darüber. Ob er plötzlich zu Christus gefunden hatte oder dem Satanismus verfallen war, es ging mich nichts an. Er sollte nur bezahlen, wie alle Hansens. Er hatte kein Vertrauen in den Anwalt, keinerlei Hoffnung, doch er tat, was er ihm sagte, so erniedrigend es für ihn war. Das genügte mir.«
    »Aber etwas ging schief.«
    »Eine Zeitlang sahen wir uns nicht mehr. Ich hatteviel zu tun, und er wich mir aus. Aber eines Abends, ich wusste bereits, dass die Berufung abgelehnt worden war, kam er zu mir. Er erwähnte es mit keinem Wort, sagte nur, dass er das Sáez-Bild verkaufen und den Erlös Eva schicken wolle. Das Mädchen hatte sich getrennt oder wollte sich trennen, von einem Kerl, der noch abscheulicher war als sie selbst, dazu zwei Kinder, und sie suchte eine Wohnung und brauchte Geld. Es wunderte mich, dass er sich von diesem Porträt trennen wollte, das ihm so viel bedeutete, und ich bot an, es zurückzukaufen. Ich sagte Ihnen, glaube ich, dass es mein Haus zu einem lächerlichen Preis verlassen hatte, aber nun verlangte er eine Unsumme dafür. Wir stritten. Konnten uns nicht einigen. In der nächsten Woche rief ich ihn an und sagte, ich würde es kaufen. Es war ein schlechtes Geschäft, wie alle Familiengeschäfte, aber ich wollte es mir leisten. Doch dann machte sich über Nacht mein Teilhaber der Galerie in Mexiko auf und davon, und ich saß auf einem Haufen Schulden. Ich bat ihn um mehr Zeit, er wollte nicht. Wie wahnsinnig war er. Er bestand darauf, dass Eva das Geld brauchte.«
    Wanda hielt inne und spielte mit dem Brillantring an der Hand, die auf ihrem Rock lag. Sie drehte ihn zwischen den Fingern, vielleicht um das Zucken ihres rechten Auges zu überspielen.
    »Ich glaube, er hatte die Entscheidung bereits getroffen«, fuhr sie fort, »einerlei, ob ich ihm den Betrag gegeben hätte. Natürlich ist Geld niemals dasMotiv, aber er wollte alles Eva hinterlassen, vielleicht weil es das Einzige war, was er noch einzulösen hatte. Das ist nur eine Vermutung, versteht sich, und nichts wert.«
    Wanda schlug die Augen nieder, hatte sich nach wenigen Sekunden gefasst, und als sie wieder aufsah, blickte sie mich mit einer Schroffheit an, die ich zu mildern versuchte, aber sie gab nur noch einsilbige Antworten, wollte alles ungeschehen machen, was ihr das Gefühl gab, ausgeliefert zu sein. Ich wusste, mehr Blößen würde sie sich nicht geben.
    Ich verließ sie mit dem Versprechen, wiederzukommen, obwohl es nur eine freundliche Abschiedsfloskel war. Sie begleitete mich schweigend zur Tür, vielleicht verärgert oder erstaunt über ihre Einsamkeit. Dichter Nebel hatte sich über

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