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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sorge!«
    »Unsinn! Warum willst Du Sorge haben?«
    »Dir ist jetzt gar nicht zu trauen! Wenn Du die Braut führst, bist Du im Stande, von Der anzufangen, welche kratzt und beißt, oder von Der, die alle Flaschen zertöppert.«
    »Fällt mir nicht ein! Mache nur Du keine Dummheiten!«
    »Wohl nicht. Wenn nur mein Staat besser wäre!«
    »Na, der ist gut genug. Gott sieht das Herz an, und der Eduard hat auch gesagt, daß Alles gut ist.«
    »Wird denn die Haube gehen?«
    »Na und wie!«
    »Und das Kleid?«
    »Ganz gut.«
    »Und – und – – ich sollte doch ein Paar gute Zeugstiefeletten haben. Das wäre fein!«
    »Das laß nur sein. Deine Knöchelschuhe sind gut. Du bist ja nicht die Achte.«
    »Was ist denn nun wieder mit der Achten?«
    »Die tritt die Schuhe alle schief.«
    »Du meine Seele! Er fängt schon wieder an! Mann, Mensch! Wie soll das auf dem Kirchgange werden.«
    »Ganz gut!«
    Um ihren Klagen auszuweichen, entfernte er sich. Er hatte ja so viele Bekannte zu begrüßen.
    Nach einiger Zeit kam das Brautpaar sammt den Eltern. Es erregte nicht geringes Aufsehen, als Försters mit Bändern und Blumen geschmückt wurden, aber Alle gönnten den braven Leuten diese Ehre von Herzen.
    Die Glocken begannen zu läuten, und der Zug setzte sich in feierliche Bewegung. Der alte Wunderlich ging so stolz und stramm neben Engelchen her, als ob er eine Gräfin am Arme habe. Nur einmal entfuhr es ihm: »Die Fünfzehnte schnarcht viel zu laut im Schlafe.«
    Engelchen blickte verwundert zu ihm auf. Er wurde verlegen und entschuldigte sich.
    »Es hat nichts zu sagen. Ich sprach nur einige Worte, die der Brautführer unterwegs sagen muß, wenn die Braut später das Regiment im Hause bekommen soll.«
    Es ging das Dorf hinauf und nach der Kirche zu. Ueberall standen die Leute, um den Hochzeitszug zu erwarten und auch in die Kirche zu gehen. Wunderlich achtete nicht auf sie, er hatte nur Sorge, seinen Toast nicht zu vergessen. Er sagte die Verse in Gedanken her, und so kam es, daß er kurz vor der Kirche ganz laut mit den Worten herausfuhr: »Die Elf kann keinen Hosenknopf anflicken!«
    Und als er sofort bemerkte, daß Engelchen ganz erstaunt darüber war, bemerkte er in großer Geistesgegenwart:
    »Jetzt bin ich fertig! Nun bekommst Du das Regiment, und Eduard kommt unter den Pantoffel!«
    Die Kirche war kaum jemals beim Gottesdienste so voll gewesen. Alle Welt wollte bei dieser Trauung zugegen sein. Sie verlief in höchst feierlicher Weise. Der Pfarrer ging tief auf die Schicksale des Brautpaares ein und hielt seine Rede, welche den Hörern zahlreiche Thränen der Rührung erpreßte. Und als er seinen priesterlichen Segen über das Paar gesprochen hatte, war man allgemein überzeugt, daß eine so schöne und ergreifende Trauung hier im Orte noch niemals stattgefunden habe.
    Als sich nun der Zug heimwärts in Bewegung setzte, führte Eduard sein Engelchen und der Förster seine Barbara.
    »Du,« sagte Wunderlich, »mir ist geradeso zu Muthe, als ob wir selber getraut worden wären.«
    »Mir auch,« antwortete sie.
    »Es ist mir ganz so, als sei ich wieder zwanzig Jahre und käme zu Dir auf die Freite!«
    »Geh, Alter!«
    »Ja, es ist aber einmal so! Weißt Du noch, wie mich Dein Vater erwischte? Ich riß aus, und als ich über den Zaun sprang, blieb der linke Rockschooß an den Latten hängen. Es war eine verteufelte Geschichte, denn damals hatte ich ja nur diesen einen Rock.«
    »Laß das jetzt sein.«
    »Warum denn? Gerade bei einer Hochzeit muß man an solche Erlebnisse denken, bei einem Begräbnisse doch nicht etwa. Als sich dann Dein Vater zurückgezogen hatte, ging ich wieder hin, um den Schöößling zu holen. Aber prosit die Mahlzeit, der Alte hatte ihn confiscirt. Und weil ich doch nicht mit einem einzigen Rockschooße laufen konnte, so schnitt ich mir den rechten auch noch ab. So war aus dem Rocke eine Jacke geworden; aber Dich habe ich doch noch gekriegt. Du warst eben ganz weg in mich!«
    »Geh’! Ich in Dich! Ist mir gar nicht eingefallen! Aber Du in mich! Verstanden?«
    »Wollen uns nicht streiten! Eins von uns war in das Andere verschossen, und weil ich als Forstmann mich niemals verschieße, so bist Du es gewesen. Das ist klar.«
    Als der Zug angekommen war und die Theilnehmer sich an die Tische geordnet hatten, brachten die Angehörigen derselben die Hochzeitsgaben.
    Bei der Armuth der Bevölkerung konnte von reichen Geschenken nicht die Rede sein, aber ein Jeder gab von Herzen gern und nach seinen Kräften.

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