Der verlorne Sohn
ebenso geistig wie moralisch gleich. Befehlen lasse ich mir nichts. Habe ich einen Fehler begangen, so hast Du Dir sogar Verbrechen vorzuwerfen. Wenn Du klug bist, so behandelst Du mich ganz auf gleichem Fuße!«
Seine Brauen zogen sich finster zusammen. Es war ihm anzusehen, daß er keine große Lust hatte, auf eine Gleichstellung einzugehen; aber er trug dem gegenwärtigen Augenblicke Rechnung und sagte: »Wenn ich auch gegen die Behandlung auf gleichem Fuße im Allgemeinen nichts sagen will, so bist Du es in der gegenwärtigen Angelegenheit, welche den Fehler gemacht hat. Ich hoffe, daß Du den Muth hast, ihn offen einzugestehen. Du hast die Diamanten gestohlen?«
»Gestohlen!« brauste sie auf.
»Nun, so sagen wir, an Dich genommen.«
»Ja.«
»Wann?«
»Gestern Abend.«
»Der Fürst hatte sich auf einen Augenblick entfernt?«
»Ja.«
»Und man hat Dich dabei beobachtet?«
»Ich bin überzeugt, daß kein Mensch mich gesehen hat.«
»Aber man weiß es doch!«
»Das muß auf Combination beruhen!«
»Was wolltest Du mit den Diamanten thun?«
»Sie vor allen Dingen in Sicherheit bringen. Man konnte ja nicht wissen, ob der Einbruch auch wirklich gelingen werde.«
»Das mache mir nicht weiß! Du hast sie für Dich allein behalten wollen.«
»Beweise das!«
»Du hast mir nach Deiner Rückkehr Deinen Besuch beim Fürsten ausführlich beschrieben. Wären Deine Absichten gegen mich ehrliche gewesen, so hättest Du mir gesagt, daß Du im Besitze der Diamanten warst. Und dann wären sie noch jetzt in unserem Besitze.«
»Oho! Man hätte sie ebenso geholt!«
»Man hätte sie nicht mehr gefunden! Ich durchschaue Dich. Aber ich will mich nicht noch weiter aufregen. Ich muß meinen Kopf offen halten. Es giebt hier sehr Verschiedenes zu bedenken, und ich hoffe, daß Du hilfst, das Dunkel aufzuklären. Ich sehe ein, daß meine Vorwürfe gegen Dich jetzt nutzlos sind; darum will ich sie unterlassen. Also, der Fürst des Elendes hat von dem Einbruche gewußt. Wie geht das zu?«
»Du hast unter Deinen Leuten einen Verräther.«
»Das ist die einzige Erklärung. Aber er hat auch gewußt, daß ich den Diener engagirt habe.«
»So hat dieser es ihm verrathen!«
»Das möchte ich bezweifeln. Der Diener befand sich in wirklicher Todesgefahr und hat seine Probe glanzvoll bestanden.«
»So ist’s ein Anderer, der es ihm verrathen hat.«
»Es sind nur zwei Mitwisser dieser Angelegenheit, nämlich mein Stellvertreter, welcher an dem Gitterthor das Zeichen gab, und der alte Apotheker, bei dem ich den Diener kennen lernte.«
»So ist Einer von den Beiden der Verräther.«
»Sie sind Beide treu. Uebrigens habe ich die Hauptsache mit dem Diener unter vier Augen besprochen.«
»So ist also doch er es, gegen den sich der Verdacht zu richten hat.«
»Ich glaube vielmehr, daß wir belauscht worden sind.«
»Wo?«
»In der Weinstube, in welcher wir uns besprachen.«
»Groß genug, diese Unvorsichtigkeit!«
»Tausendmal kleiner als die Deinige! Der Lauscher ist der Fürst des Elendes gewesen. Er hat dann während des ganzen Abends Befours Palais bewachen lassen!«
»Aber Befour ist doch schon längst gewarnt!«
»Wieso?«
»Er hat Imitationen anfertigen lassen, welche nun anstatt der wirklichen Kostbarkeiten in Eure Hände gefallen sind.«
»Verdammt! Ich muß mich erst davon überzeugen. Aber unbegreiflich, geradezu unbegreiflich wäre es, zu errathen, daß ich dort einbrechen will! Doch weiter jetzt! Wann hast Du die Steine in die Console gesteckt?«
»Als ich Dich verlassen hatte.«
»Wer war dabei?«
»Kein Mensch.«
»Auch die Zofe nicht?«
»Nein. Ich hatte sie vorher schlafen geschickt.«
»So werde daraus der Satan klug. Dieser Fürst des Elendes muß wirklich geradezu allwissend sein! Und dann gingst Du mit einem der Steine zu dem Juden?«
»Ja.«
»Er kaufte ihn nicht?«
»Nein.«
Die Baronin erzählte ihre Verhandlung mit Salomon Levi ausführlich.
»Welch eine fürchterliche Unvorsichtigkeit!« sagte Helfenstein. »Der Fürst hat Dich beobachtet und ist dann bei dem Juden gewesen, um sich zu erkundigen, was Du gewollt hast, und dieser ist so dumm gewesen, es ihm zu sagen. Ich werde ihn dafür zu bestrafen wissen! Was geschah dann?«
»Nichts. Ich legte den Stein zu den übrigen und begab mich dann zur Ruhe. Ich schlief ein, obgleich ich sehr neugierig war, wie Euer Streich ausgefallen sei. Geweckt wurde ich erst durch Dich.«
»Das ist wenig oder gar nichts, was ich nun weiß! Aber ich ruhe
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