Der verlorne Sohn
allergrößter Spannung auf die Beiden gerichtet. Würden sie einander verrathen? Nein, denn es trat eine Störung ein. Die Thür wurde geöffnet, und die beiden Polizisten kamen zurück, Jeder einen der gestohlenen Beutel tragend. Das störte die Krisis: Mann und Frau traten langsam von einander fort. An den Ersteren wendete sich nun der Fürst: »Herr von Helfenstein, nehmen Sie Ihre Beleidigungen zurück?«
»Ja, ich muß!« knirschte dieser. »Nun bleibt mir nichts Anderes übrig, als mir eine Kugel durch den Kopf zu jagen!«
»Warum?«
»Das fragen Sie noch? Die Baronin von Helfenstein eine Diebin! Das darf ich nicht überleben! Man würde mit Fingern auf mich zeigen und mich mit Füßen treten!«
»Noch weiß Niemand davon!«
»Aber der Fürst von Befour wird Anzeige erstatten.«
»Ich sagte Ihnen ja, daß er noch gar nichts von dem Diebstahle ahnt. Er weiß noch gar nicht, daß die Edelsteine abhanden gekommen sind.«
»So werden Sie Strafantrag stellen!«
»Allerdings. Ich bin Ihnen eine räthselhafte Persönlichkeit. Ich will Ihnen sagen, daß ich Polizist bin. Ich habe ein Auge für Vieles, Vieles, was Andere nicht bemerken. Darum habe ich gestern den ›Hauptmann‹ betrogen; darum kannte ich die Diebin der Edelsteine, und darum entdeckte ich den Aufbewahrungsort der Letzteren. Ich bin unnachsichtlich gegen jede Uebertretung der Gesetze; aber ich habe mir von der Familie Helfenstein erzählen lassen und schenke den Angehörigen meine wärmste Theilnahme. Darum will ich Ihnen hier ein Fluchtpförtchen offen lassen.«
»Sprechen Sie; aber verlangen Sie nichts Unmögliches!«
»Was ich verlange, ist sehr naturgerecht. Wer stiehlt, ist entweder ein Dieb oder – geisteskrank. Einen Dieb oder eine Diebin lasse ich unnachsichtlich bestrafen; eine Geisteskranke aber kann geheilt werden. Ich gebe Ihnen von heute an fünf Tage Zeit. Befindet sich dann die Baronin von Helfenstein als geisteskrank in der Heilanstalt zu Rollenburg, so werde ich schweigen, und nicht einmal der Fürst von Befour soll von dem Diebstahl erfahren. Ist die Dame aber noch hier, so lasse ich sie arretiren und exemplarisch bestrafen. Dies ist mein einziges und letztes Wort in dieser Angelegenheit. Ihnen aber, Herr Baron, gebe ich den guten Rath, nicht so oft den Revolver einzustecken, besonders in der Nacht eines Einbruches; man könnte Sie sonst für einen Freund des geheimnißvollen ›Hauptmannes‹ halten oder gar für diesen selbst! Denken Sie über meine Worte nach, und seien Sie überzeugt, daß ich mir von meinen Bedingungen nicht ein Pünktchen abhandeln lassen werde. Wir werden uns nie sehen, als nur dann, wenn Sie mich zwingen, als Ihr Feind aufzutreten. Leben Sie wohl!«
Er ging, und seine beiden Begleiter folgten ihm.
»Habt Ihr die Steine gezählt?« fragte er unterwegs.
»Ja. Es fehlt keiner.«
»Was sagte der Baron, als er sie in der Console entdeckte?«
»Er machte zunächst ein Gesicht, als ob er die Posaunen des jüngsten Gerichtes höre; dann wollte er sprechen, brachte aber vor Entsetzen kein einziges Wort hervor, und endlich rannte er fort, uns ganz allein zurücklassend. Ich möchte Zeuge der Scene sein, welche es jetzt, nach unserer Entfernung, zwischen ihm und seiner Frau Gemahlin giebt!«
Diese Antwort hatte Anton gegeben! Adolf fügte hinzu:
»Mir scheint es dringlicher, zu wissen, was man von ihm in Beziehung des geheimen Hauptmannes zu denken hat!«
»Ich denke, daß wir uns da geirrt haben. Ich glaube nicht, daß er mit dem Hauptmanne Etwas zu thun hat. Er ist während des Einbruches im Casino gewesen, während Du doch mit dem Hauptmanne gesprochen hast.«
»Hm! Ist es auch wirklich der Hauptmann gewesen, der sich für ihn ausgegeben hat? Ich glaube nicht, daß man darauf schwören kann. Die Einbrecher hatten auf so bedeutende Werthsachen gerechnet, daß sie überzeugt sein mußten, die That werde ein so außerordentliches Aufsehen erregen, daß man selbst so hochgestellte Personen nicht schonen werde, falls ein Verdacht auf eine solche fallen sollte. Da war für alle Fälle ein Alibi angenehm. Der Hauptmann gehört jedenfalls in die besseren Gesellschaftskreise; er wird ganz gewiß auf ein solches Alibi bedacht gewesen sein.«
Er hatte mit dieser Vermuthung das Richtige getroffen. Helfenstein war ja des Alibis wegen in das Casino gegangen. Er war dann mit der Ueberzeugung zurückgekehrt, daß der Streich gelungen und er dadurch ein steinreicher Mann geworden sei; der letzte Auftritt aber hatte
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