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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dergleichen. Nur fragt es sich, ob man nicht etwa Gefahr dabei läuft.«
    »Mensch!«
    »Gut, gut, Herr! Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ist’s für einen Mann oder für ein Frauenzimmer?«
    »Mußt Du das wissen?«
    »Natürlich!«
    »Für eine Frau.«
    »Und welcher Art soll der Wahnsinn sein?«
    »Es soll alles Phantasiren vermieden werden.«
    »Ich verstehe! Beim Phantasiren werden Dinge ausgeplaudert, welche besser unausgesprochen bleiben. Wie wäre es mit einer künstlichen Apathie?«
    »Unempfindlichkeit? Kann die hervorgebracht werden?«
    »Warum nicht?«
    »Wird aber in diesem Falle nicht genügen.«
    »Also stärker: Lethargie?«
    »Was Lethargie ist, weiß ich natürlich; aber was verstehst denn Du darunter?«
    »Geistige Erschlaffung, welche in eine hochgradige Schlafsucht übergeht, welche endlich zum Todesschlafe führt.«
    »Wie lange dauert es, bis der Letztere eintritt?«
    »Je nach der Stärke des Mittels.«
    »Ist die Erschlaffung, also die Anfangswirkung des Mittels so, daß der Kranke noch zusammenhängend denkt und spricht?«
    »Das kann man nach Belieben einrichten.«
    »So ist mir dieses Mittel recht. Es giebt eine Person, welche binnen dreimal vierundzwanzig Stunden nicht mehr denken soll.«
    »Das ist nicht schwer zu bewerkstelligen. Diese Person wird in einen beinahe ununterbrochenen Schlaf verfallen.«
    »Aber in den Zwischenräumen, wenn sie wach ist – –?«
    »Da wird sie dumpf vor sich hinbrüten, ohne ein Wort über die Lippen zu bringen.«
    »So wird der Tod dann eine Erlösung für sie sein.«
    »Natürlich!«
    »Nur fragt es sich, ob die Ärzte im Stande sind, zu vermuthen, daß der Kranke ein solches Mittel empfangen hat.«
    »Keineswegs. Man wird im Gegentheile annehmen, daß ein Blutaustritt in’s Gehirn stattgefunden hat. Die Frau hat einen Schlag auf den Kopf erhalten, ist gestürzt, oder es ist ihr etwas auf den Kopf gefallen. Man hat hier Alles so bequem wie möglich.«
    »Und wann tritt der Tod ein?«
    »Auch das geht einzurichten. Doch ist zu rathen, diesen Zeitpunkt so weit wie möglich hinauszuschieben, da sonst das Mittel in der Leiche nachgewiesen werden kann.«
    »Wie weit ungefähr?«
    »Fünf bis sechs Monate. Der Körper wird während dieser Zeit fast gar nicht angegriffen. Der Kranke schluckt die Nahrung, welche ihm in den Mund geschoben wird, wie im Traume hinter, und da er sich nicht bewegt und keine Kräfte abgiebt, bleibt der Körper gut genährt; der Patient schläft eben ein, ohne wieder aufzuwachen.«
    »Wie lange dauert die Anfertigung dieses Mittels?«
    »Eine Stunde.«
    »Kann ich es heute am Nachmittage haben?«
    »Ja; kommen Sie!«
    »Und, was ja von Bedeutung ist, hat die Medizin einen vorstechenden Geruch oder Geschmack?«
    »Sie riecht gar nicht, schmeckt aber ein ganz Wenig bitter.«
    »Das läßt sich verdecken. Also abgemacht! Hier ist das Geld, und zwar die Hälfte mehr als gestern.«
    Adolf hörte Silber klingen und hielt es nun für gerathen, seinen Lauscherposten aufzugeben. Er kehrte nach der Treppe zurück, stieg deren Stufen erst leise hinauf und kam dann mit möglichstem Geräusche wieder herab. Sofort wurde hinten die Thür geöffnet.
    »Wer ist da?« fragte der Apotheker.
    »Ich bin es.«
    »Ach, Adolf! Er kommt!«
    »Hier herein,« gebot der Hauptmann. Und zu dem Alten gewendet, fügte er hinzu: »Du gehst hinauf und giebst Achtung, daß wir nicht gestört werden!«
    »Ich werde da vorn Eins trinken!«
    »Meinetwegen! Aber horche nicht!«
    Der Hauptmann schob den Apotheker zur Thür hinaus und zog dieselbe wieder zu. Es war Adolf sehr lieb, daß der Giftmischer nicht hinaufging. In diesem Falle hätte es leicht herauskommen können, daß er bereits eine Weile im Keller anwesend gewesen war. Er machte ein freundliches, unbefangenes Gesicht, hielt dem Anderen die Hand hin und sagte: »Also, Sie, Herr Jacob! Schön! Freut mich! Nur war es fast ein bischen zu früh zu einem Ausgange. Mein Herr raisonnirte.«
    Der Hauptmann warf einen langen, scharf forschenden Blick auf den Sprechenden, schien aber mit dem Resultate seiner Beobachtung zufrieden zu sein.
    »Er hatte wohl schlechte Laune?« fragte er, an Adolf’s Worte anknüpfend.
    »Nicht gerade das. Herrendiener haben ja so früh nicht Zeit zum Spazierengehen. Lange darf ich keineswegs fort bleiben!«
    »Ich werde Sie nicht aufhalten, habe aber einige Fragen. Ist der Besuch heute in der Nacht gelungen?«
    »Ja.«
    »Ihre Belohnung?«
    »Habe ich erhalten.«
    »Es wird auch weiter

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