Der verlorne Sohn
kein Anderer war als der Fürst von Befour. »Er hat alle Schlauheit angewendet, um jede Verfolgung irre zu führen; bei uns aber konnte das nicht gelingen. Nun giebt es zwei Fälle: Entweder ist er nach vorwärts unter die Bäume, oder er ist hier rechts zu der Thür hinein. Ich muß schleunigst zum Baron von Helfenstein, um zu sehen, ob er daheim ist. Ich nehme eine Droschke und fahre nach Hause, mich schnell umzukleiden. Adolf fährt mit, da ich gleich hören muß, was es beim Apotheker gegeben hat. Anton mag als Wachtposten hier bleiben. Dort unter den Bäumen kann man verborgen stehen und doch die Thür beobachten. Kommt er da heraus, so darf er nicht wieder aus den Augen gelassen werden.«
Anton begab sich also nach den Bäumen, und die beiden Anderen kehrten zurück, um eine Droschke zu nehmen. Unterwegs erzählte Adolf seinem Herrn seine Unterredung mit dem angeblichen Architecten.
Der Fürst hörte stillschweigend zu. Als der Diener geendet hatte, fragte er:
»Aus dieser Unterhaltung geht hervor, daß der Hauptmann von dem Apotheker ein Mittel erhalten und auch sofort in Anwendung gebracht hat, welches für bestimmte Zeit irrsinnig macht?«
»Ja; anders nicht.«
»Hm! Und heute bestellt er ein zweites, viel gefährlicheres Mittel! Das ist jedenfalls für seine Frau!«
»Ich war sogleich überzeugt davon!«
»Sie soll in Lethargie versinken und sterben. Ah! Der Schurke!«
»Wenn nämlich er und der Baron identisch sind! Ist es nicht unsere Pflicht, diese That zu verhindern?«
»Nein. Es ist vielmehr unsere Pflicht, sie geschehen zu lassen!«
Und als der brave Adolf ein betroffenes Gesicht machte, fuhr der Fürst fort:
»Wie wollen wir sie verhindern? Natürlich, ohne uns zu verrathen? Was er heute nicht ausführen könnte, würde er morgen thun oder später. Und die Hauptsache: Verfällt die Baronin in Lethargie, so ist das ein unumstößlicher Beweis, daß der Baron der Hauptmann ist.«
»Aber die Baronin wird sterben! Begehen wir da nicht einen Mord, wenn auch nur indirect?«
»Wenn sie stürbe, so hätte sie doch weit Schlimmeres verdient, als ein solches Ende. Uebrigens wird sie nicht sterben. Für solche Mittel giebt es stets ein Gegengift. Uebrigens erhalten wir dadurch den Apotheker in unsere Gewalt. Das kann uns von großem Vortheil sein. Erfahren möchte ich aber, wer gestern abend das Gift erhalten hat. Dieser Hauptmann ist doch ein fürchterlicher Mensch!«
Sie waren in der Nähe der Palaststraße angekommen und stiegen aus. Kaum fünf Minuten später sah man die Equipage des Fürsten von Befour aus dem Thore rollen, und wenige Zeit später hielt sie vor der Wohnung des Barons von Helfenstein.
Befour wurde sofort bei der Baronin angemeldet und von ihr empfangen. Sie befand sich bei der Lectüre in ihrem Salon und trat ihm mit einem glücklichen Lächeln entgegen.
»Ah, Durchlaucht!« sagte sie. »Herzlich willkommen!«
»Sie verzeihen meine frühe Gegenwart!« antwortete er, indem er Platz nahm. »Es ließ mir keine Ruhe, zu erfahren, ob unsere gestrige Wanderung durch mein Heim nicht allzu sehr ermüdet hat.«
Nun folgte ein munteres Herüber und Hinüber jener Pikanterien, welche bei einer geistreichen Unterhaltung zwischen einem Herrn und einer Dame üblich sind. Die Baronin schlug wiederholt einen hörbar innigen Ton an, aber der Fürst ging, wie am vorigen Abende, nicht auf denselben ein.
Ella nahm im Laufe des Gespräches die Gelegenheit wahr, das Thema auf seine Kostbarkeiten zu bringen, und da er wohl wußte, weshalb sie dieses that, unterstützte er sie dabei, so daß sie glaubte, die beabsichtigte Wendung sei ihr ganz unbemerkt gelungen. Sie sprach davon, daß sie während der ganzen Nacht von den unermeßlichen Reichthümern, um deren Besitz er zu beneiden sei, geträumt habe; im Traume seien die Steine geschliffen gewesen und hätten in solchen Farben gestrahlt, daß sie fast geblendet worden sei.
Er lächelte leise vor sich hin und bemerkte:
»Solche blendende Farben sind auch nur im Traume möglich. In der Wirklichkeit würden Sie sich sehr enttäuscht fühlen, gnädige Frau.«
»Ah! Wieso, Durchlaucht?« fragte sie verwundert.
»Wären diese Reichthümer wirklich so unermeßlich, wie Sie denken, so hätte ich heute Nacht einen nie zu ersetzenden Verlust erlitten. Ich bin bestohlen worden.«
Sie erbleichte doch, als sie dieses Wort aus seinem Munde hörte.
»Bestohlen?« fragte sie. »Sie scherzen doch jedenfalls!«
»O nein. Ich bin wirklich bestohlen
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