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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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macht eine Vorladung einen ganz eigenen Eindruck. Zudem hatte ihr Vater ganz er schrecklich raisonnirt, daß sie so unbesonnen gewesen war, nach dem Kirchhofe zu gehen.
    Auch heute Morgen waren die Eltern noch nicht beruhigt gewesen. So saß sie da bei ihrem Kaffee, ohne die Tasse anzurühren. Da plötzlich hörte sie ihren Vater die Treppe heraufgepoltert kommen. Er trat ein, das Morgenblatt in der Hand, hinter ihm die alte Rebecca.
    »Wirst Du errathen, weshalb ich komme, Judith, meine Tochter?« fragte er.
    Sie blickte erfreut auf. Die Gesichter der Beiden waren genugsam Beweis, daß es sich um keine schlimme Nachricht handle.
    »Wegen der Zeitung,« antwortete sie.
    »Ja. Aber was steht darin geschrieben zu lesen gedruckt?«
    »Weiß ich es? Lies es vor!«
    »Es ist von dem Dichter?«
    »Gott! Von Bertram?«
    »Ja, von Bertram, wegen dem Du mußtest gestern erscheinen vor dem Amte des Gerichtes, wo sie sitzen zu sprechen dem Einen, daß er hat Recht, dem Anderen, daß er hat Unrecht.«
    »Lies, lies! Was steht da gedruckt?«
    »Es steht da gedruckt eine sehr frohe Botschaft. Höre zu Deinem Vater!«
    Er las Folgendes vor:
     
    »Was man weder vermuthete noch glaubte, es hat sich ereignet: Der Riese Bormann hat ein Geständniß abgelegt. Robert Bertram ist unschuldig. Als wir von der Missethat berichteten, ließen wir hindurchblicken, daß wir nicht an die Schuld dieses jungen, braven Mannes glaubten; diese Vermuthung hat sich nun glänzend bewahrheitet.
    Uebrigens soll Bertram sich der Protection hervorragender Persönlichkeiten erfreuen, so daß zu erwarten steht, daß die letzten Ereignisse zu seinem Glücke sein werden. Er ist natürlich sofort aus der Haft entlassen worden. Leider aber ist sein Körperzustand ein so leidender, daß man sich gezwungen gesehen hat, ihn in das Krankenhaus zu überführen.
    Auch der Schließer, welcher im Verdachte stand, dem Riesen Bormann das Gefängniß geöffnet zu haben, ist, wie verlautet, unschuldig. Es stehen nun noch ganz interessante Mittheilungen über den ›Hauptmann‹ zu erwarten, welche wir unseren Lesern natürlich nicht vorenthalten werden!«
     
    Judith hatte mit leuchtenden Augen zugehört. Jetzt rief sie:
    »Frei ist er also, frei! Habe ich nicht sofort gesagt, daß er unschuldig ist?«
    »Ja, mein Tochterleben, das hast Du gesagt. Wie kann ein Dichter sein ein Einbrecher! Aber, weißt Du, wem er zu verdanken hat diese plötzliche freie Entlassung?«
    »Nun, wem?«
    »Dir! Du hast gestern gesprochen vor Gericht, um zu bezeugen seine Unschuld; darum ist er geworden frei. Er ist Dir verpflichtet zu Dank sein ganzes Leben. Er wird abstatten diesen Dank, indem er wird der Eidam von Salomon Levi und seinem Weibe Rebecca.«
    »Aber wo ist er? Im Krankenhause?«
    »Ja, weil er ist noch nicht geworden so schnell gesund.«

    »So muß ich hin, ihn zu pflegen.«
    Sie machte eine Bewegung, aber ihr Vater trat ihr in den Weg.
    »Gott der Gerechte!« rief er. »Wo willst Du hin, meine Tochter? In das Krankenhaus?«
    »Natürlich!«
    »Wo es giebt Blattern und Epidemie!«
    »Danach frage ich nicht!«
    »Typhus, Seuchen und Scharlachfieber! Willst Du holen die Ansteckung für mich und Deine Mutter, daß wir plötzlich sterben mit einander am epidemischen Wadenkrampf? Du bleibst hier! Warum willst Du sein eine barmherzige Schwester?«
    »Es ist meine Pflicht!«
    »Wai geschrieen? Was ist Pflicht? Was hast Du für Gewinn als barmherzige Schwester? Warte noch ein Weilchen, so wirst Du sein seine barmherzige Frau! Das ist besser als Schwester! Auch hast Du uns noch gar nicht gesagt, ob der Herr Assessor hat gefragt, warum wir haben geborgt an Bertram unser Geld.«
    »Weil er sich in Noth befand.«
    »Hast Du gesprochen von Prozentchen?«
    »Nein.«
    »Das ist klug und schön von Dir! Das bringt in noblen Ruf mein ganzes Geschäft. Einem Dichter borgt man nicht gegen Zinsen. Aber, Judithleben, hast Du vielleicht gesprochen von dem Pfande, welches er hat gelassen in unseren Händen?«
    »Kein Wort.«
    »Das ist weise gehandelt. So weiß also der Herr Assessor gar nichts von der Kette mit dem Wappen?«
    »Ich werde mich hüten, davon zu sprechen.«
    »So bist Du die Nachkommin von Salomon Levi, welche hat geerbt von ihm seine ganze Klugheit. Von dieser Kette darf kein Mensch erfahren. Man darf nicht ahnen, daß ich habe einen Schwiegersohn, welcher macht so berühmte Gedichte, weil er ist ein heimlicher Herr von Adel. Also sei still und gehe nicht nach dem Krankenhause!«
    Und sie

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