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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gehört, daß der Fürst die Eigenthümlichkeit hat, Vieles, sehr Vieles zu wissen, was Anderen ein Geheimniß ist?«
    »Man spricht allerdings davon.«
    »Nun, so will ich Ihnen beweisen, daß ich der Fürst bin: Ich werde Ihnen einige Ihrer Geheimnisse mittheilen.«
    »Herr, welche Geheimnisse sollte ich haben?«
    »Ihr erstes Geheimniß ist zunächst dieser Keller; ich will aber nicht in dasselbe eindringen. Schon ein Wenig interessanter ist es, daß Sie Ihre Schwiegersöhne an den Hauptmann verkaufen.«
    »Aber, lieber Herr, ich verstehe Sie keineswegs«
    »Denken Sie an einen gewissen Adolf, der Ihre Jette heirathen soll. Den haben Sie mit dem Hauptmanne zusammengeführt.«
    »Kein Wort weiß ich davon, kein einziges.«
    »So? Da wissen Sie wohl auch nichts davon, daß Sie dem Hauptmanne Gift verkauft haben?«
    »Gift? Herr Gott! Mir geht der Atem aus!«
    »Ja, Gift! Zweimal haben Sie ihm Gift gegeben, beide Male, um Menschen wahnsinnig zu machen. Vorgestern handelte es sich um einen zeitweiligen Wahnsinn, gestern aber um eine ausgesprochene Lethargie, welche in den Tod übergeht.«
    Dem Apotheker schlotterten die Kniee.
    »Herr, ich begreife von Dem, was Sie hier sagen, kein Wort, kein einziges!« betheuerte er.
    »Wirklich nicht? Kein einziges Wort? Glauben Sie, daß Sie mit einfachem Leugnen beim Fürsten des Elendes durchkommen? Ich kenne Sie; ich kenne Ihre Geschäftsführung, Giftmischer!«
    Da brach der Apotheker auf dem primitiven Sitz zusammen.
    »Himmel!« stöhnte er. »Was soll ich thun? Ich bin ja so unschuldig wie ein neugeborenes Kind!«
    »Schweigen Sie! Hören Sie lieber, was ich Ihnen sagen werde! Es genügt ein Wort von mir, Sie lebenslänglich in das Zuchthaus zu bringen: ich habe die Beweise in der Hand –«
    »Gnade, Gnade!«
    »Gut, Sie sollen Gnade finden; aber nur unter einer einzigen Bedingung. Hören Sie wohl?«
    »Ja, ich höre. Welche Bedingung stellen Sie?«
    »Daß Sie von jetzt an mir gerade so gehorchen, wie Sie bisher dem Hauptmanne gedient haben.«
    Der Alte erhob sich. Er machte eine Bewegung, als ob er sich von einer schweren Last befreit fühle, und zog sich einige Schritte weit nach der Mauer zurück. Dabei zeigte sein Auge einen eigenthümlichen Glanz.
    »Ja,« sagte er, »diese Bedingung gehe ich ein, augenblicklich, denn –«
    Er hielt inne. Er hatte mit der Hand eine Schnure ergreifen wollen, welche da, bis wohin er sich zurückgezogen hatte, von der niedrigen Deckwölbung des Kellers herniederhing; aber der Fürst, aufmerksam gemacht, durch den eigenthümlichen Blick und das verrätherische Zurückweichen des Alten, stand mit einem blitzschnellen Sprunge bei ihm und faßte ihn beim Arme.
    »Halt, Bursche!« sagte er. »So kommst Du mir nicht! Was hast Du da vorgehabt? Nieder auf Deinen Sitz!«
    Er zog einen Revolver hervor, dessen Lauf er dem Apotheker vor das Gesicht hielt. Sofort setzte dieser sich nieder.
    »Was ich vorgehabt haben soll?« fragte er. »Nichts, gar nichts!«
    »Wollen sehen!«
    Indem er dem Alten die Waffe entgegenhielt, nahm er die Laterne und untersuchte die Schnur. Sie führte an der Decke hin, bis gerade über die Stelle, an welcher er gesessen hatte. Dort befand sich ein blechernes Kästchen, an dessen Deckel die Schnur befestigt war.
    »Was ist in dem Kästchen?« fragte der Fürst.
    »Nichts, gar nichts!«
    »Schön! Werden es untersuchen! Setze Dich einmal auf meinen vorigen Platz, Bursche, also gerade unter das Kästchen!«
    »Warum, Herr?«
    »Ich werde dann an dieser Schnur ziehen, und dann wird es sich jedenfalls zeigen, was es mit dem Kästchen für eine Bewandtniß hat. Also, vorwärts!«
    Der Alte befand sich sichtlich in einer schauderhaften Verlegenheit. Er zauderte, dem Befehle Gehorsam zu leisten. Er hätte es sicherlich auf einen Kampf ankommen lassen, mußte sich aber sagen, daß sein Gegner bewaffnet und außerdem an Körperkraft ihm mehrfach überlegen sei.
    »Nun?« fragte der Fürst. »Du hast die Wahl: Entweder unter das Kästchen, oder den Revolver, oder ein offenes Geständniß!«
    Er sah sich in die Enge getrieben und mußte sich sagen, daß er nicht entrinnen könne.
    »Gut, ich will es gestehen!« sagte er.
    »Aber keine Lüge! Also?«
    In der Rechten die Pistole und in der Linken die Laterne, stand er drohend vor dem Apotheker. Dieser sagte zögernd: »Das Kästchen enthält eine Mischung zum – zum – zum Riechen.«
    »Ach so! Zieht man an der Schnur, so wird das Kästchen geöffnet, und die Mischung fällt auf

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