Der verlorne Sohn
ich kann doch unmöglich mit den Traditionen meiner Familie brechen!«
»Indem Sie Mörder wurden, haben Sie mit denselben gebrochen. Oder sind vielleicht die Helfensteins alle und stets Mörder gewesen?«
»Sie nehmen das zu streng!«
»O nein, mein Lieber! Uebrigens, wie wollen Sie mir eine Gratification in Geld bezahlen. Ich weiß ja sehr genau, daß Ihre Verhältnisse vollständig derangirt sind. Sie wären wohl kaum im Stande, mir heut lumpige hundert Thaler zu zahlen. Ich bin ja selbst reicher als Sie, denn da mein Bruder keine Kinder hinterließ, bin ich seine einzige Erbin gewesen. Sie werden niemals ein Vermögen wie das meinige besitzen, obgleich dies kein bedeutendes ist. Auch in dieser Beziehung muß es Ihnen willkommen sein, wenn ich Ihnen meine Hand anbiete.«
»Sie irren! Ich bin der festen Ueberzeugung, daß ich einmal sehr reich sein werde.«
Sie erhob die Hand und drohte warnend mit dem Zeigefinger.
»Herr Baron, ich weiß, woran Sie denken. Ihren Berechnungen vermag ich sehr gut zu folgen!«
»Wieso?«
»Am Abende wurde der Baron ermordet, am anderen Morgen sein projectirter Schwiegersohn; Der, welcher Alma liebte, wird als Mörder hingestellt. Dadurch sind drei Personen aus dem Wege geräumt. Glauben Sie etwa, die Hand Alma’s zu erhalten?«
»Nein.«
»Dies ist das einzige, ehrliche Wort, welches Sie mir heute gesagt haben. Alma wird überhaupt nicht die Herrschaft Helfenstein besitzen können; diese gehört ihrem Brüderchen, dem kleinen Robert. Leider aber bin ich überzeugt, daß der Knabe auch bald sterben wird.«
Der Baron erschrak. Ahnte dieses Mädchen seine Pläne wirklich so genau? Er versuchte in dem gleichgiltigsten Tone zu fragen: »Wie? Sterben? Leidet er denn seit Kurzem an einer Krankheit?«
»Ja, und zwar an einer ebenso lebensgefährlichen wie unheilbaren.«
Seine Augen leuchteten befriedigt auf. So war also der Knabe krank geworden! Welch’ ein Glück! Er fragte rasch: »Welche Krankheit wäre das?«
»Ein Vetter, welcher ihn beerben will.«
Bei diesen Worten richtete sie ihre Augen so überlegen forschend auf sein Gesicht, daß er sich nicht zu beherrschen verstand. Er erröthete bis hinter die Ohren, faßte sich aber schnell und sagte:»Sie sind boshaft, ganz verteufelt boshaft, Ella!«
»O nein, mein Lieber! Ich verstehe es nur, den Grund Ihrer Handlungen ausfindig zu machen. Doch, streiten wir uns darüber nicht! Sagen Sie mir einfach Antwort auf die Frage, welche ich an Sie richten muß!«
Er wiegte den Kopf hin und her und meinte endlich lächelnd:
»Ob ich mich von Ihnen heirathen lassen will?«
»Ja.«
»Nun, vielleicht finde ich mich d’rein!«
»Ich mag kein Vielleicht hören! Antworten Sie bestimmt!«
Da legte er den Arm um sie, zog sie an sich und flüsterte zärtlich:
»Mädchen, Mädchen! Wenn ich Dich nur nicht so lieb hätte!«
Dabei küßte er sie auf den Mund, und zwar in jener Weise, welche den frivolen Roué zu kennzeichnen pflegt. Sie durchschaute ihn; sie wußte, daß er daran dachte, sie zu betrügen; aber sie ließ sich das nicht merken. Sie schlang vielmehr auch ihre Arme um seinen Hals, erwiderte seine Küsse so glühend, als ob sie an seine Liebe glaube und antwortete, indem ihr Gesicht vom Glück zu strahlen schien: »Mehr als ich Dich liebe, liebst Du mich nicht. Also sag’, soll ich Dich für immer besitzen? Soll ich Dein Weib werden?«
»Ja, ja, Du süßes, reizendes Wesen. Mögen die Angehörigen meines Standes mich verurtheilen; ich lache über sie, denn ich bin überzeugt, daß wir endlos glücklich sein werden!«
»Wenigstens meine Aufgabe wird es sein, Dich diesen Schritt niemals bereuen zu lassen.«
»Die meinige auch. Aber nun darf ich wohl auch in Beziehung auf Brandt ruhig sein?«
»Ja, mein Lieber! Vorausgesetzt natürlich, daß Du mir Garantieen bietest, denen ich vertrauen kann.«
»Garantieen verlangst Du?« fragte er enttäuscht.
»Natürlich!«
»Aber warum denn nur?«
»Siehst Du das nicht ein?« meinte sie, ihm sehr zärtlich die Wangen streichelnd. »Ich weiß, was für ein kleiner, liebenswürdiger Schäker Du bist. Ich halte Dich sogar für ein Wenig sehr vergeßlich. Wie nun, wenn Du nach der Verhandlung, nach Brandt’s Verurtheilung nicht mehr an das dächtest, was Du mir versprochen hast?«
»Das ist ja ganz und gar nicht möglich!«
»O doch, o doch! Ich werde Dich vielmehr ersuchen, mir das Versprechen der Ehe schriftlich zu geben.«
»Alle Teufel! Wo denkst Du hin?«
»Du meinst,
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