Der verlorne Sohn
daß dies noch immer keine Sicherheit bietet? Ja, da hast Du Recht. Du wirst Dich also nachher mit mir zum Pfarrer bemühen, um ihm zu erklären, daß ich Deine Verlobte bin.«
»Verdammt! Das werde ich allerdings unterlassen!«
Ihr Gesicht nahm einen hoch ironischen Ausdruck an. Sie fuhr fort:
»Und sodann wirst Du mir das schriftliche Bekenntniß geben, daß Du den Baron Otto von Helfenstein ermordet hast.«
Da fuhr er empor, als ob er auf eine Schlange getreten sei.
»Was fällt Dir ein!« rief er. »Hältst Du mich für einen Dummkopf, für einen verrückten Menschen?«
»Nein, nein! Ich halte Dich für das, was Du bist: für einen Bösewicht, dem Alles zuzutrauen ist, dessen Frau ich aber dennoch werden will, weil ich sonst keinen Baron bekomme. Verstehst Du mich? Ich will Baronin von Helfenstein werden, oder Du gehst auf das Schafott. Dic Ella oder die Guillotine – Du hast die Wahl!«
»Mädchen, ich wähle ja Dich! Aber Deine Forderungen sind ja geradezu beleidigend!«
»Deine Weigerung ist ebenso beleidigend. Ich will doch nicht haben, daß Du denken sollst, eine Frau zu bekommen, welche so leicht zu übertölpeln ist. Nein, Du sollst vielmehr Respect vor mir haben. Du sollst diesen Respect bereits heute bekommen. Du sollst sehen, daß wir einander vollkommen werth sind. Darum sage ich Dir aufrichtig, daß ich Dir nicht das mindeste Vertrauen schenke. Also, erkläre Dich! Ich brenne mir hier eine Cigarette an; wenn ich den letzten Zug gethan habe, ist die Bedenkzeit, welche ich Dir gestatte, zu Ende; dann werde ich handeln.«
Sie langte wirklich nach dem auf dem Tische stehenden Etui, brannte sich eine Cigarette an und begann zu rauchen. Sie legte sich so zierlich in die Lehne des Sophas zurück, als ob es sich um nichts als eine freundschaftliche Unterredung handele. Er aber befand sich in einer Lage, wie in seinem ganzen Leben noch nie.
Er schritt in seinem Zimmer auf und ab und suchte nach Gründen, auszuweichen; aber er fand sie nicht. Der Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er wußte, daß sie nicht ein Pünktchen von ihrer Forderung streichen werde, und sah doch keine Möglichkeit, sich ihrer Hand zu entwinden. Da, jetzt warf sie das nicht zu rauchende Endchen von sich und sagte: »Nun? Die Entscheidung! Ich gehe!«
Da blieb er vor ihr stehen und fragte in stockendem Tone:
»Was wirst Du machen, wenn ich nicht auf Deine Forderung eingehe?«
Sie zeigte ihm ein ruhiges, überlegenes Lächeln und antwortete:
»Etwas, woran Du gar nicht gedacht haben wirst.«
»Ach! Was könnte das sein?«
»Ich lasse Dich arretiren.«
Kaum hatte er diese Worte gehört, so war aus seinem Gesichte alle Farbe gewichen. Daß sie so etwas beabsichtigen könne, war ihm allerdings nicht in den Sinn gekommen; aber er kannte sie und wußte, daß sie dazu fähig sei.
»Arretiren?« fragte er. »Warum? Was fällt Dir ein?«
»Warum? Aus Vorsicht! Du könntest fliehen, ehe ich meine Aussage gethan habe. Oder Du könntest nun, da Du erfahren hast, was ich weiß, auf irgend eine Weise meinen Angaben zuvorkommen. Es ist daher allerdings am Besten, ich lasse Dich festnehmen.«
Sie stand vor ihm, als ob sie sein Richter sei.
»Weib,« sagte er, »Du bist wirklich ein Teufel!«
»O, nur eine Teufelin, Du aber ein Satan. Du siehst, wir passen sehr gut zusammen. Schade, daß Du es nicht willst!«
»Die Arretur würde Dir wohl nicht gelingen!« stotterte er.
»Warum nicht?«
»Weil es in diesem elenden Neste Niemand giebt, der sich an mir zu vergreifen wagen würde.«
»Das ist wahr; aber ich habe meine Vorkehrungen getroffen. Deine Person ist mir sicher, entweder als Gemahl oder als Gefangener.«
Da machte er einen letzten Versuch. Er wollte sehen, ob sie einzuschüchtern sei. Daher meinte er, die Achsel zuckend: »So sicher denn nun wohl nicht. Ich glaube vielmehr, daß ich Dich viel sicherer habe als Du mich.«
Sie zuckte ebenso die Achsel wie er und fragte lächelnd:
»Wieso?«
»Nun, ich habe Dich ja hier in meiner Behausung! Wie nun, wenn Du dieselbe nicht wieder verläßt, wenigstens nicht lebendig?«
Ihr Gesicht zeigte nicht eine Spur von Angst oder Schreck. Sie sagte:
»Du beurtheilst mich viel, viel zu falsch. Ich weiß, daß ein Mörder im Stande ist, eine zweite Person zu tödten, wenn er sich dadurch Sicherheit verschaffen kann. Daher habe ich meine Maßregeln getroffen. Ich bin nicht ohne Begleitung hier. Man hat mich bei Dir eintreten sehen; man wird mich, wenn meine Abwesenheit zu lange dauert,
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