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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einer gravirenden Lage, aber schuldlos in derselben weiß, blickte er sich im Saale um. Sein Auge blieb nur an Zweien haften, auf Baronesse Alma und auf seinem Vater, welche Beide auch als Zeugen anwesend waren.
    Die Erstere hielt die Augen niedergeschlagen; der Letztere aber sah seinen Sohn an und blickte dann wie triumphirend zu den Richtern hinüber, als wollte er ihnen sagen: »Seht ihn an, Ihr Herren! Hat er das Aussehen eines Mörders, eines Menschen, der sich schuldig fühlt! Hört, Ihr werdet ihn wohl freisprechen müssen!«

    Er konnte nicht hinüber zur Anklagebank, aber er winkte Gustav einen freundlichen Gruß hinüber und machte dabei ein Gesicht, dem man es ansah, daß es nichts Anderes bedeuten solle als: »Kopf hoch, mein Junge! Sie werden Dir nichts anhaben können!«
    Es wurde begonnen. Der Vorsitzende machte das Auditorium mit dem vorliegenden Falle bekannt; der Angeklagte wurde vernommen und dann die einzelnen Zeugen. Gustav antwortete ruhig und ernst; es war ihm keine Aufregung, weder diejenige der Angst, noch die des Zornes anzumerken. Er gab der Wahrheit die Ehre, und mehr konnte er nicht.
    Unter den Zeugen wurde besonders Baronesse Alma scharf beobachtet. Es war ja von gewisser Seite die Behauptung aufgestellt worden, daß Brandt ihr heimlicher Geliebter gewesen sei und nur deshalb ihren Vater und Verlobten beseitigt habe, um desto ungehinderter in ihren Besitz zu gelangen. Sie wurde sogar über diesen Umstand vernommen, blieb aber bei der entschiedenen Behauptung, daß zwar ein brüderlich zärtliches, nicht aber ein sogenanntes Liebesverhältniß zwischen ihnen obgewaltet habe. Zuletzt noch befragt, ob sie den Angeklagten wirklich für des Mordes an dem Hauptmanne schuldig halte, erklärte sie, indem ihre Stimme zitterte und ihr schönes Angesicht die Bleiche des Todes angenommen hatte:»Ich weiß, welches Gewicht man auf meine Antwort legen wird. Mein Herz gebietet mir, Milde walten zu lassen; aber ich hörte den Wortwechsel zwischen ihm und dem Hauptmanne; ich sah den Todten liegen und die Flinte in der Hand des Angeklagten rauchen; ich bin überzeugt, daß er der Thäter ist. Ich darf nicht meinem Herzen, sondern ich muß meiner Pflicht und meinem Gewissen folgen. Gott wird mir verzeihen und gnädig sein, wenn ich mich irre!«
    Nach diesen Worten brach sie kraftlos zusammen.
    Eine tiefe, unheimliche Stille war eingetreten. Aller Augen hingen an Brandt, um zu sehen, welchen Eindruck diese Worte auf ihn gemacht hatten. Aber als dann der Vorsitzende fragte: »Was hat der Angeklagte dazu zu sagen?« da erhob sich Gustav und antwortete in festem aber mildem Tone: »Gott wird ihr verzeihen, denn sie spricht aus Ueberzeugung. Sie kann nicht wissen, was in der einen Minute, welche zwischen ihrem Gehen und ihrer erschrockenen Wiederkehr lag, geschehen ist. Ich zürne ihr nicht; ja, ich würde sie weniger achten können als jetzt, wenn sie anders gesprochen hätte.«
    Der Eindruck dieser Antwort war ein günstiger. Es ging ein Flüstern durch den Zuhörerraum, aus dem man die Worte entnahm: »So kann nur ein Unschuldiger sprechen!«
    Die Aussagen des Barons und der Zofe waren natürlich im höchsten Grade beschwerend. Sie warfen eine Last auf den Gefangenen, welche derselbe nicht abzuschütteln vermochte. So, wenn auch weniger, war es auch mit den Deponirungen der meisten anderen Zeugen.
    Jetzt erhob sich der Staatsanwalt. Seine Rede war scharf und schneidig wie das Schwerdt, dem der Angeklagte verfallen sollte. Als er geendet hatte, sagte sich das Auditorium, daß Brandt verloren sei.
    Dann begann der Verteidiger sein Plädoyer. Er erging sich nicht in kühnen Wortspielen, er appelirte nicht mit schön klingenden Worten an das Gefühl der Richter. Er sprach einfach und würdevoll. Der Hauptpunkt seiner Rede bestand in dem Versuche, nachzuweisen, daß sein Client nicht der Einzige sei, auf den der Verdacht zu fallen habe.
    »Wer hat,« fragte er, »der Comtesse von Helfenstein erwiesener Maßen eine fruchtlose Liebeserklärung gemacht? Wer hat sich dahin geschlichen gehabt, wo die beiden Schüsse fielen? Wer befand sich im Schlosse als Gast, so daß der Zutritt zum Barone ihm an jedem Augenblicke möglich war? Was beweist das Rasirmesser und der Schlüssel? Das erstere ist dem Angeklagten gestohlen und der letztere ihm unbemerkt in die Tasche gesteckt worden.«
    Bei dieser Auslassung richteten Aller Augen sich auf Baron Franz. Er war erbleicht, aber er schien gänzlich unberührt zu bleiben. Der

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