Der verlorne Sohn
machen?«
»Bitte, befehlen Sie!«
»Besitzt der Herr Assessor von Schubert ihre Zufriedenheit?«
»Sogar meine Anerkennung und Sympathie. Dieser junge Beamte wird sich schnell emporarbeiten.«
»Möchten Sie diesen eclatanten Fall nicht ihm übergeben?«
»Das wäre allerdings eine bedeutende Auszeichnung, doch soll er sie haben, da Sie es wünschen. Aber darf ich vielleicht erfahren, warum Sie gerade den Assessor bevorzugt sehen wollen?«
»Ich möchte dies als Belohnung gelten lassen für die Art und Weise, in welcher er die Untersuchung gegen den unschuldigen Robert Bertram leitete.«
»Ich verstehe und billige diese Absicht ganz und gar. Also morgen habe ich die Ehre?«
»Am Vormittage. Gute Nacht!« –
Als Max Holm sich von den Anderen getrennt hatte, fühlte er eine innere Befriedigung wie noch selten in seinem Leben. Er hatte das Seinige gethan, Ellen Starton an ihren Feinden zu rächen, und er war überzeugt, daß sein Plan gelingen werde.
Alsdann dachte er an den armen Werner. Sein Herz drängte ihn, diesem mitzutheilen, daß er in kurzer Zeit seine Tochter als unschuldig verurtheilt wieder frei sehen werde. Er brauchte ihm ja weiter gar nichts zu verrathen.
Auf dem Wege zum Theaterdiener kam er an dem Café vorüber, in welchem er mit Werner und Monsieur Jean gesessen hatte. Das Liegen im kalten Schnee, nur mit einem Betttuche bedeckt, hatte ihm die Glieder erstarrt, darum beschloß er, erst ein Glas Grog zu sich zu nehmen.
Er verwunderte sich nicht wenig, bei seinem Eintritt Den am Tische sitzen zu sehen, zu dem er eben hatte gehen wollen – den Theaterdiener Werner.
»Guten Abend, Papa Werner,« grüßte er, bei ihm Platz nehmend. »Das ist ja ein blaues Wunder!«
»Beinahe, mein lieber Herr Holm! Ich bin seit langen Jahren nicht mehr kneipen gegangen, das heißt natürlich, auf eigene Rechnung. Heute nahm ich mir zum ersten Male vor, eine Tasse wirklichen chinesischen Thee zu trinken – zu zwanzig Kreuzer! Ah!«
Er setzte schnalzend die Tasse vom Munde.
»Verschwender!« scherzte Holm.
»Oho! Ich kann es mir bieten!«
»Wirklich? Hat das Glück vielleicht auch einmal den Weg zu Ihnen gefunden?«
»Wie man es nimmt!«
»Haben Sie vielleicht Zulage erhalten?«
»O weh! Ganz das Gegentheil: Hinausgeworfen hat man mich, mein bester, junger Freund.«
»Doch nicht!«
»Ja, der Intendant ist selbst bei mir gewesen.«
»O weh! Da hat er ja Ihre Frau gesehen.«
»Ja, und das hat ihm als Scheinursache zu meiner Entlassung gedient. Im Grunde genommen aber ist doch nur meine Emilie schuld.«
»Wieso?«
»Heute Abend wird der Stern des Harems gegeben. Die Darstellerin der Lieblingsfrau ist krank geworden, und meine Tochter sollte sich an ihrer Stelle fast splitternackt vor tausend Menschen auf die Bühne legen.«
»Sie hat es nicht gethan?«
»Nein, bewahre. Und darum habe ich den Laufpaß erhalten. Ich bin ohne Brod und Stelle und Verdienst.«
»Und gerade darum trinken Sie chinesischen Thee, die Tasse zu zwanzig Kreuzer?«
»Nicht darum, sondern trotzdem! Ich will das Unglück ärgern. Gerade weil ich kein Geld verdienen soll, werfe ich es zum Fenster hinaus!«
»Sie sind ein sehr leichtsinniger, junger Mensch!« lachte Holm, der sich freute, den Mann endlich einmal bei guter Laune zu sehen.
»Ja, nennen Sie mich immerhin leichtsinnig! Sie haben vollständig Recht. Da verschwende ich mein Geld mit Leckereien, und Ihnen bin ich vierzehn Gulden schuldig!«
»Oh, oh, so war es nicht gemeint!«
»Ich weiß es; aber wer Karawanenthee trinkt, der muß auch seine Schulden bezahlen können. Hier haben Sie, und zwar mit meinem allerbesten Danke!«
Er zog den Beutel und legte vierzehn Gulden hin.
»Papa Werner, wo denken Sie hin!« sagte Holm.
»Nehmen Sie nur!«
»Ich brauche es nicht!«
»Aber ich bin es Ihnen schuldig!«
»Es hat noch Zeit!«
»Aber ich habe es übrig!«
»Das sollte mich freuen! Heute morgen konnten Sie nicht so sagen. Sie müssen doch ein Glück gemacht haben!«
»Ja, ich bin ein halber Crösus geworden.«
»Wieso?«
»Ich habe meine Tochter verhandelt.«
Er sprach dies nur im Scherze; er hatte keine Ahnung, daß es wirklich ein ernstes Verschachern gewesen sei.
»Das müssen Sie mir erklären.«
»Nun, sie hat sich vermiethet und einen schönen Lohn vorausbezahlt erhalten.«
»Wieviel denn, wenn man fragen darf? Wenn Sie mir vierzehn Gulden geben können, so muß der Lohn, den Emilie erhält, ein sehr hoher sein.«
Als der Alte ihm den Betrag
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