Der verlorne Sohn
nannte, konnte er seine Verwunderung nicht verbergen. Er bemerkte:
»Das ist sehr ungewöhnlich! Bei wem dient sie?«
»Ich will es Ihnen erzählen.«
Werner berichtete ihm, wie es mit dem Engagement seiner Tochter zugegangen war. Holm faßte Mißtrauen, ja sogar Verdacht gegen diesen Circusdirector, doch ließ er sich gegen den braven Alten nichts merken, um ihn nicht in Angst und Sorge zu versetzen und um seine gegenwärtige gute Stimmung zu bringen.
Noch als sie über diesen Gegenstand plauderten, kam ein neuer Gast, welcher, als er Holm erblickte, ihn mit einer Art respectvoller Vertraulichkeit grüßte.
Er war noch jung, vielleicht kaum über zwanzig Jahre, kurz, dick und fleischig gebaut, mit feuerrothem Haar und einem schneeweißen, mädchenhaften Teint. Auf seinem vollen Gesichte lag ein Ausdruck unverwüstlicher Schalkhaftigkeit. Man mußte sich beim ersten Anblicke desselben sagen, daß dieser junge Mann wohl sehr gern lustige Streiche begehe.
Holm winkte ihn zu sich und sagte:
»Wollen Sie sich nicht zu uns setzen, lieber Hauck?«
»Wenn Sie erlauben, herzlich gern!«
»Kennen sich die Herren vielleicht?«
»Ich wenigstens kenne den Herrn Theaterdiener Werner.«
»Und ich werde wohl Ihren Namen hören,« meinte der Genannte.
»Ein College von mir,« sagte Holm. »Sie wissen doch, daß ich bisher zum Tanze spielte?«
»Ja, ja.«
»Nun, Herr Hauck ist unser Paukenschläger und zugleich der Hauptspaßvogel unseres Orchesters. Er hat mehr Wirbel und Fanfaren im Kopfe als auf dem Notenblatte, und wenn Sie sich bei ihm in Gunst setzen und ihm zugleich eine große Freude machen wollen, so geben Sie ihm Gelegenheit zu einem dummen Streiche. Er führt ihn sicher aus.«
»O, Gelegenheit gäbe es wohl, aber der Stoff fehlt leider,« bemerkte Werner so obenhin.
Holm aber nahm diese Worte sofort auf und fragte:
»Welche Gelegenheit meinen Sie?«
»Hm! Man spricht nicht davon.«
»Wir plaudern nichts aus!«
»Das weiß ich. Ich meine unser Theater.«
»Ja, da giebt es sehr faule Punkte.«
»Könnte ich doch einmal einem dieser Herren einen Streich, aber einen gehörigen Streich spielen!« seufzte Werner auf. »Wie gern thäte ich das?«
Der Paukenschläger lächelte überlegen vor sich hin und sagte:
»Wer einem Anderen in Wirklichkeit einen Possen spielen will, der findet stets Gelegenheit und Stoff.«
»Dieser Intendant, der Balletmeister, der Claqueur, der Kapellmeister, das sind lauter –«
»Halt!« fiel da Holm schnell ein. »Sie haben den Claqueur erwähnt, diesen Léon Staudigel. Da kommt mir eine Gedanke, ein prächtiger Gedanke!«
»Ein Jux?« fragte Hauck erwartungsvoll.
»Ja.«
»Lassen Sie mich dabei sein!«
»Wollen sehen. Zeigen Sie einmal Ihre Hände, Ihre Zähne, Ihre Ohren. So! Zufriedenstellend!«
»Das klingt ja gerade, als ob Sie mich als Haremshüter auf den Sclavenmarkt bringen wollten.«
»Etwas von Harem ist dabei.«
»Sapperment! Sie machen mich neugierig!«
»Sagen Sie einmal, Hauck, haben Sie in Ihrem Leben schon einmal Austern gegessen?«
»Linsen, ja, Austern noch nicht.«
»Caviar?«
»War nicht so frei!«
»Champagner getrunken?«
»Uebergelaufene Milch war bisher meine größte Wonne. Höher kam ich nicht.«
»Hm! Möchten Sie das nicht einmal versuchen?«
»Bin sofort dabei! Aber, da läuft mir eine ganze Pfütze im Munde zusammen, und was ist es, Sie scherzen doch nur.«
»Nein. Ich lade Sie in aller Wahrheit und Wirklichkeit ein zu einem hochfeinen Souper zu dreißig, fünfzig und auch noch mehr Gulden. Es kommt ganz auf das Talent an, welches Sie zeigen.«
»Ihre Person in Ehren, Herr Holm! Sie wissen, daß ich Sie hochachte, denn Sie sind kein gewöhnlicher College und Bierfiedler. Aber, bitte, sagen Sie mir einmal im Vertrauen: Sind Sie vielleicht übergeschnappt?«
»Nein.«
»Oder haben Sie eine Seeschlange im Kopfe?«
»Auch nicht.«
»Dann wollen wir lieber von diesem Thema abbrechen.«
»Warum?«
»Sie reden nicht im Ernste.«
»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich es ganz gewiß so meine, wie ich es sage!«
»Alle Teufel! Jetzt weiß ich wirklich nicht, woran ich bin und was ich denken soll!«
»Denken Sie an ein hochfeines Abendessen! Voran kommt Triester Fisch-oder New-Yorker Turtlesuppe. Machen Sie mit oder nicht?«
»Ich fische und turtle auf alle Fälle mit.«
»Sodann kommt Gans, Ente, Hase, Rehrücken, Hirsch, Wildschwein, Rheinlachs, Lendenbraten, Rostboeuf, kurz und gut, Alles, was Sie sich nur wünschen, kalt
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