Der verlorne Sohn
oder warm, in größter Auswahl.«
»Mir wird es schon jetzt eiskalt und brühwarm.«
»Dazu alle Sorten Weine, ganz so, wie Sie die Wahl treffen.«
»Wollen Sie mich in’s Schlaraffenland expediren?«
»Nein, sondern nur nach dem Bellevue.«
»Sapperment, dort soll es eine feine Küche geben, wie ich gehört habe. Gesehen habe ich sie freilich nicht und zu schmecken bekommen noch viel weniger.«
»Und das Alles haben Sie umsonst.«
»Desto billiger ist es.«
»Sie werden sogar mit Equipage abgeholt.«
»Ich kenne mich schon jetzt nicht mehr.«
»Und vom Wirthe selbst bedient.«
»Welch’ ein feiner Kerl bin ich! Aber Etwas, Etwas muß man doch von mir verlangen!«
»Das ist freilich wahr.«
»Nun, was denn?«
»Einige Umarmungen und vielleicht einige Küsse.«
»Donnerwetter! Ist ›sie‹ hübsch?«
»Etwas über fünfzig Jahre alt.«
»Pfui Teufel!«
»Na, für so ein Abendessen kann man sich schon einmal überwinden!«
»Richtig! Also umarmt und geschmatzt soll sie werden! Aber Knoblauch darf sie nicht vorher gegessen haben.«
»Das fällt ihr gar nicht ein.«
»So will ich thun, was ich thun kann. Nur während des Essens muß sie mich in Ruhe lassen.«
»Sie sagen immer ›sie‹, aber es ist keine ›Sie‹, mein lieber Hauck.«
»Was denn?«
»Ein ›Er‹.«
»O weh! Aber das ist doch nicht möglich!«
»Sogar wirklich!«
»Ich soll einen Kerl umarmen und küssen?«
»Nein.«
»Aber Sie sagten es doch!«
»O nein! Sie sollen nichts thun; Sie sollen sich leidend verhalten. Sie sollen weder umarmen noch küssen, sondern Sie sollen umarmt und geküßt werden.«
»Von einem Fünfzigjährigen?«
»Ja.«
»Nehmen Sie es mir nicht übel! Das geht noch über das Kasperltheater. Denn daß Sie nur Spaß machen, das glaube ich nun nicht mehr, seit Sie mir Ihr Wort gegeben haben. Dieses pflegen Sie in Ehren zu halten.«
»Vielleicht fällt ein Lichtstrahl in Ihre Geistesfinsterniß, wenn ich Sie frage, ob Sie sich vielleicht schon einmal als Mädchen verkleidet haben?«
»O, öfters schon! Zu Fastnacht! Man hat mich ja allgemein für ein Mädchen gehalten. Ich bin so gebaut, daß ich beinahe ausgeschnitten gehen könnte. Ich hätte die erforderliche Gestalt zu einem Damenkomiker.«
»Schön! Wie sind Ihre Arme?«
»Voll und rund wie bei der Melusine.«
»Aber die Stimme.«
»Habe keine Sorge! Ich habe eine famose Fistelstimme, welche gerade wie die natürliche klingt. Ueberdies braucht man sich nur auf’s Flüstern zu verlegen. Aber, sagen Sie, das klingt ja gerade, als ob ich mich bei diesen famosen Souper als Dame verkleiden solle?«
»So ist es auch.«
»Famos, famos! Ich beginne zu ahnen! Es ist ein fader, alter Geck im Spiele.«
»Errathen!«
»Der eine nicht zu sehr Spröde zu diesem splendiden Abendessen eingeladen hat?«
»Ganz so ist es.«
»Und ich soll an Stelle dieser Schönen treten?«
»Sie besitzen ein wunderbares Sehervermögen.«
»O, meine Eßwerkzeuge sind noch wunderbarer. Aber, sagen Sie, ist keine Gefahr bei der Sache?«
»Nicht die mindeste.«
»Man wird mich doch nicht etwa beim Schlafittchen nehmen!«
»Das fällt Niemandem ein. Der Betreffende wird ganz im Gegentheile sehr froh sein, wenn von der Sache nichts ausgeplaudert wird.«
»Darf ich nach dem Namen fragen?«
»Ja. Hierbei wird sich unser Papa Werner auch mit interessirt fühlen. Nämlich die Tänzerin Leda – ah, haben Sie von dem morgigen Wetttanze gehört, Hauck?«
»Ja. Ich weiß Alles.«
»Gut. Herr Léon Staudigel stellt der Leda seine ganze Truppe zur Verfügung, während keiner der Seinen die Amerikanerin beklatschen darf.«
»Chikane!«
»Dafür hat die Leda ihm versprechen müssen, ein süßes Schäferstündchen mit ihm zu verleben.«
»Wann?«
»Morgen gleich nach der Vorstellung. Für dieses Liebesabenteuer ist im Bellevue das besagte Abendessen bestellt worden. Staudigel und die Leda wollen also dort gegen elf Uhr per Equipage angefahren kommen.«
»Und ich soll an Stelle der Leda treten?« fragte der Paukenschläger.
»Ja.«
»Wer hat diesen Plan ausgeheckt?«
»Er kam mir erst soeben in den Sinn.«
»Ich habe diesen alten Staudigel verteufelt auf dem Puff! Ich möchte ihm gern diesen Streich spielen; aber der Jux erscheint mir denn doch zu gewagt.«
»Was sollte zu befürchten sein?«
»Wenn er mich anzeigt, verklagt!«
»Das fällt ihm gar nicht ein. Seine Frau darf von dem Souper gar nichts ahnen; sie würde es aber unbedingt erfahren, wenn er gegen Sie
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