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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auftreten sollte. Ferner muß er das Publikum fürchten. Denken Sie sich den Skandal, wenn man erführe, daß Herr Léon Staudigel ein süßes
tête-à-tête
für sechszig Gulden mit einem – Paukenschläger gehabt habe!«
    »Das ist wahr. Ich glaube, er würde mir noch ein feines Trinkgeld geben, damit ich nur den Mund halte.«
    »Ganz gewiß. Da wette ich mit.«
    »Es giebt doch auch noch andere Bedenken.«
    »Welche?«
    »Besonders eins: Er muß doch sofort sehen, daß ich überhaupt gar keine Dame und am allerwenigsten die Leda bin. Er müßte denn morgen blind sein.«
    »Das wird er auch sein, wenigstens in gewisser Beziehung. Ich habe nämlich vergessen, zu sagen, daß Niemand wissen soll, wer die Beiden sind. Darum werden sie Masken tragen.«
    »Sapperment, das ist kein übler Gedanke.«
    »Es werden Halbmasken sein, da sie auch während des Essens nicht abgelegt werden. Der dabei bedienende Wirth soll die Beiden auch nicht erkennen. Er weiß es aber bereits, wer sie sind.«
    »Haben Sie es ihm verrathen?«
    »Ja. Erst wenn er sich entfernt hat, also nach der Tafel, wird Staudigel die Entfernung der Maske verlangen, denn dann werden die Liebenswürdigkeiten in Scene gesetzt werden sollen. Wenn Sie sich entschließen könnten, diese Rolle zu übernehmen, wäre Ihnen eine feine Gratification gewiß.«
    »Von wem?«
    »Vom Fürsten von Befour.«
    »Sapperment! Kennen Sie ihn?«
    »Sehr gut.«
    »Steckt er mit im Complotte?«
    »Ja.«
    »Hm, wenn der dabei ist, so brauche ich freilich nichts zu fürchten. Die Sache ist ganz und gar nach meinem Geschmacke: Gutes Essen, feines Getränk, noble Bedienung, eine Extragratification und, was die Hauptsache ist, der ungeheure Jux, den es mir selber macht. Ich möchte also gern und gut Ja sagen aber – wo nehme ich die dazu erforderliche Damengarderobe her?«

»Dafür wird gesorgt. Daß wir dem Staudigel einen Streich spielen wollen, und zwar während dieses Abendessens, das weiß der Fürst; von meinem gegenwärtigen Plane aber hat er keine Ahnung. Ich werde morgen früh mit ihm darüber sprechen. Bis dahin haben auch Sie Zeit, sich zu überlegen, ob Sie wollen oder nicht.«
    »Schön! Aber ich denke mir, daß ich wollen werde. Wer weiß, ob ich in meinem ganzen Leben wieder einmal Gelegenheit zu solch’ einem Schwank und zu einem so hochfeinen Abendbrote bekomme. So etwas darf man nicht ungenutzt vorübergehen lassen. Ich kam eigentlich hierher, um etwas zu essen, nun aber werde ich das nicht thun. Ich habe zu Mittag wenig gegessen und werde nun direct bis morgen Abend hungern. Wenn es mir einfällt, trinke ich sogar einen Topf voll Aloë mit Sennesblättern aus, um mir den Speisekanal ja ganz leer zu machen. Dann soll dieser Herr Baron von Staudigel einmal sehen, wie Mademoiselle Leda einhauen kann. Er soll denken, er habe eine ganze Companie Gardekürassiere zum Essen geladen.«
    Es wurde noch Manches hin und her besprochen, dann machte zuerst Vater Werner Miene aufzubrechen. Holm erklärte, daß er ihn eine Strecke begleiten werde. –Als sie dann miteinander langsam die Straße entlang schritten, sagte Holm zu dem Alten:
    »Sie glauben heute in dem Engagement ihrer Tochter ein Glück gefunden zu haben; ich will das keineswegs bestreiten; aber vielleicht habe ich eine Mittheilung für Sie, welche ein viel größeres und zweifelloseres Glück für Sie und Ihre ganze Familie enthält.«
    »Was wäre das? Sprechen Sie, mein lieber Herr Holm!«
    »Ich bin ganz im Stillen für Ihre Laura thätig gewesen.«
    »Oh, ist das wahr?«
    »Ja. Ich habe einige Erfolge gehabt.«
    »Herrgott! Das wäre allerdings ein großes, großes Glück!«
    »Ich habe seit heute sogar Hoffnung, daß Ihnen Ihre Tochter recht bald wiedergegeben wird!«
    »Das wohl schwerlich!«
    »Warum?«
    »Sie hält nicht um Gnade an.«
    »Das ist ganz recht; sie braucht keine Gnade.«
    »Und doch sagen Sie, daß es möglich sei, sie bald in Freiheit zu sehen?«
    »Ja, das sage ich.«
    »So müßte Ihre Unschuld erwiesen sein!«
    »Ich denke, daß es uns gelingen wird, diesen Beweis zu führen. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen etwas Bestimmtes anvertrauen darf, mein lieber Papa Werner?«

    »Thun Sie es, o thun Sie es!«
    »Sie müßten aber schweigen, unverbrüchlich schweigen, wenigstens bis übermorgen.«
    »Gern, o gern! Ich schwöre Ihnen alle Eide, daß kein Mensch von mir ein Wort erfahren soll!«
    »Gut! So wissen Sie denn, daß wir vorhin das Kind Laura’s gefunden haben!«
    »Herr, mein Heiland! Wo

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