Der verlorne Sohn
Wetter! Da scheinen wir einen ausgezeichneten Fang gemacht zu haben.«
Er trat auf den Baron zu und fragte:
»Wie heißen Sie?«
»Weber,« antwortete der Gefragte, dem Worte den amerikanischen Accent gebend.
»Ah! Schön, Herr Weber! Wo sind Sie her?«
»Aus Saint Louis.«
»Wunderbar! Wo liegt das?«
»In den Vereinigten-Staaten.«
»Das, das meinen Sie! Sie scheinen ein höchst spaßhafter Kerl zu sein. Haben wir uns nicht bereits gesehen?«
»Könnte mich nicht besinnen.«
»In unserer Residenz?«
»Da war ich noch nie.«
»Als Weber wohl noch nie, aber als Baron Franz von Helfenstein jedenfalls.«
»Sie irren, Herr Lieutenant.«
»Das wäre eine einigermaßen auffällige Ähnlichkeit. Was treiben Sie hier im Walde?«
»Ich komme von jenseits der Grenze und will nach meinem Geburtsorte Langenstadt.«
»Langenstadt? Und doch sind Sie Amerikaner? Halten Sie mich doch nicht für angeschossen, Alter!«
»Ich bin zwar in Langenstadt geboren; aber mein Vater wanderte nach Amerika aus, als ich noch klein war.«
»Und grad heute kehren Sie zurück?«
»Ja.«
»Sie erfinden gut; aber, können Sie sich legitimiren?«
»Ja.«
»Thun Sie das! Versuchen Sie es wenigstens!«
Der Lieutenant war vollständig überzeugt, den Hauptmann vor sich zu haben. Auf seinen Wink standen die beiden Unterofficiere mit schußbereitem Gewehr neben demselben, kein Auge von ihm verwendend.
»Das ist doch eigenthümlich,« lächelte der Baron. »In dieser Weise in der Heimath empfangen zu werden, habe ich nicht erwartet. Ich war heute bereits einmal gezwungen, mich zu legitimiren.«
»Wo?«
»An der Grenze.«
»Und Sie haben sich wirklich ausgewiesen?«
»Ja.«
»Dann müssen Sie eine Passirkarte erhalten haben.«
»Die habe ich.«
»Zeigen Sie!«
»Hier!«
Er gab sie dem Officier. Dieser prüfte sie, wendete sie nach beiden Seiten, schüttelte den Kopf, fuhr sich rathlos mit der Hand nach dem Schnurrbarte und fragte endlich: »Haben Sie diese Karte vielleicht gefunden?«
»Nein. Ich habe sie im Mauthhause von einem Officier erhalten.«
»Verflucht! Und dennoch diese Ähnlichkeit. Wir suchen nämlich einen entwichenen Gefangenen – –«
»Das hörte ich bereits.«
»Mit welchem Sie eine bedenkliche Ähnlichkeit besitzen. Darum werden Sie entschuldigen, wenn ich meine Pflicht thue und möglichst genau verfahre.«
»Bitte! Ich habe mich zu fügen.«
»Es ist die Möglichkeit vorhanden, daß die Karte gefunden worden ist. Ich muß bitten, mir die Legitimation zu zeigen, auf welche hin Sie sie bekommen haben.«
»Gern! Hier zunächst mein Paß.«
Er nahm ihn aus dem Portefeuille und gab ihn hin. Der Officier prüfte ihn auf das Genaueste und sagte dann:»Da giebt’s allerdings nichts auszusetzen.«
»Hier mein Schein als Bürger der Vereinigten-Staaten.«
»Auch richtig.«
»Hier mein Patent als Capitän der Miliz.«
»Donnerwetter! Also ein Kamerad!«
»Ja. Hier ferner die Briefe meines Oheims, welche er von Langenstadt abgesandt hat. Hier auch meine Depositenscheine. Ich glaube Der, den Sie suchen, hat nicht an dem hier angegebenen Tage solche Summen in New-York zahlen können.«
Das Gesicht des Lieutenants wurde lang und immer länger. Er befand sich in Verlegenheit. Er sah ein, daß er zu weit gegangen sei.
»Pardon, Herr Kamerad,« sagte er. »Sie müssen wirklich verzeihen. Kolossaler Irrthum, aber auch kolossale Ähnlichkeit. Meine Pflicht; Sie wissen.«
»O, ich zürne Ihnen keineswegs. Als Officier weiß ich ja sehr genau, was es heißt, nach Ordre zu handeln.«
»Danke! Nehmen Sie also Ihre Documente zurück! Sie kommen also quer über die Berge?«
»Ja. Ich wollte gleich beim ersten Schritt in die Heimath die Schönheit derselben bewundern.«
»Recht so! Haben Sie Begegnungen gehabt?«
»An der Grenze, wie ich bereits sagte.«
»Sonst nicht?«
»Nein – aber doch; oh, Sapperment!«
»Was?«
»Es ist mir allerdings ein Mensch begegnet.«
»Ein Mensch? Warum gebrauchen Sie diesen Ausdruck? Hatte er vielleicht etwas Verdächtiges an sich?«
Der Lieutenant war plötzlich ungeheuer eifrig geworden.
»Das schien mir allerdings,« antwortete der Baron.
»Also verdächtig?«
»Ja.«
»In wiefern?«
»Der Waldboden ist weich; man kann die Schritte kaum hören. Als ich so langsam meines Weges ging und eben um eine Ecke biegen wollte, kam von der entgegengesetzten Seite ein Anderer, der bei meinem Anblicke todtesbleich wurde und erschrak, daß er beinahe zu Boden gefallen
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