Der verlorne Sohn
meine Person von ihm empfangen habe. Da steht es: vier Töchter hat er, und ganz ärmlich behilft er sich, so ärmlich, daß er die Älteste, die Magda, nach der Residenz vermiethet hat. Na, das soll schnell anders werden. In Dienst gehen soll keine Nichte von mir; das gebe ich nicht zu!«
Der Baron sann nach.
»Magda – – –?« sagte er unwillkürlich.
»Was ist’s?«
»Magda Weber?«
»Ja, natürlich heißt sie so.«
»Hm!«
»Kennen Sie sie etwa?«
»War sie erst in eine Weinstube als Kellnerin vermiethet?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich kenne allerdings eine Magda Weber, Kellnerin in der Residenz.«
»Sapperment! Ich denke, Sie sind Forstschreiber!«
»Allerdings.«
»Was haben Sie denn da in den Weinstuben der Residenz herum zu kriechen?«
Er schien bedenklich zu werden. Der Baron sah ein, daß er einen großen Fehler begangen habe. Er sagte:
»O, Unsereiner muß sehr oft nach der Hauptstadt.«
»Wieso?«
»Nun, der Wald gehört dem Fiskus. Alle unsere Acten, Scheine, Rechnungen gehen in das Ministerium; da kommt es denn sehr häufig vor, daß wir nach der Hauptstadt müssen, um persönlich irgend welche Differenzen auszugleichen.«
»Ach so!«
»Außerdem sind die großen Holzhändler der Residenz unsere besten Käufer und Abnehmer. Man kann mit ihnen ja recht gut schriftlich verhandeln, das ist wahr, kommt man aber selbst, nun, so ist es um so besser!«
»Ich verstehe! In diesem Falle fällt für die Herren Forstschreiber immer irgend ein kleines Präsent ab. Nicht?«
»Na, davon spricht man nicht.«
»Aber wissen thut man’s!« lachte er.
Wenn er vorhin wirklich Argwohn gefaßt hatte, jetzt war derselbe ganz sicher wieder zerstreut. Das bewies er durch das Folgende, indem er fragte: »Als Forstschreiber gehören Sie doch wohl auch mit zu der Forstpolizei?«
»Eigentlich nicht. Ich bin Rechnungs-, aber nicht Ausübungsbeamter, versäume aber nicht, ein Wort zu rechter Zeit zu sagen, wenn es nämlich nöthig ist.«
»Da wissen Sie wohl auch nicht, was heute im Werke ist?«
»Ich weiß nur, daß ich hier den neuen Schlag zu berechnen habe, weiter nichts.«
»Von der Suche auch nichts?«
»Von welcher Suche?«
»Auf den Hauptmann!«
»O doch!«
»Nun, dann ist’s ja gut!«
»Daß man nächster Tage eine Suche durch das ganze Gebirge veranstalten werde, ist uns längst gemeldet worden.«
»Nächster Tage?«
»Ja.«
»Weiter nichts?«
»Nein.«
»Hören Sie, da hat man Sie aber sehr im Unklaren gelassen.«
»Wieso?«
»Die Suche soll ja heute abgehalten werden!«
»Was Sie sagen!«
»Ja.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich hörte an der Grenze davon. Im Mauthhause, in welchem ich mich legitimiren mußte, saßen mehrere Unteroffiziers, welche zu dieser Suche mit commandirt waren.«
»Hm! So bin ich bereits von zu Hause fortgewesen, als der Befehl gekommen ist. Na, schadet nichts! Ich bin ja sowieso nicht verpflichtet, mitzumachen. Wann sollte die Hetzjagd denn wohl beginnen?«
»Das weiß ich nicht. Direct wurde mir ja gar nichts mitgetheilt. Ich hörte nur ganz zufällig, was diese Leute flüsterten.«
»Na, erstens, ob er sich wirklich im Walde befindet!«
»Man vermuthet es.«
»Und zweitens, ob man ihn erwischt. Ich glaube nicht daran.«
»Wenn er sich hier befindet, wird man ihn sicher fangen.«
»O, es giebt zu viele Verstecke.«
»Die werden ihm nichts helfen bei der Art und Weise, wie man die Geschichte anfängt.«
»Nun, wie fängt man sie denn an?«
»Das hörte ich zufällig auch. Es werden zwei Doppelreihen von Forstleuten und Soldaten gebildet, an der Ost-und an der Westgrenze des Gebirges. Diese beiden Reihen besitzen eine solche Länge, daß sie durch den ganzen Wald reichen. Zur bestimmten Stunde setzen sie sich gegen einander in Bewegung. Sie werden also Alles, was sich zwischen ihnen befindet, sich gegenseitig zutreiben.«
»Pah!«
»O, die einzelnen Glieder stehen einander so nahe, daß keine Feder zwischen ihnen hindurch kann.«
»Mir wird es lieb sein, wenn man ihn fängt.«
»Und mir ist es sehr gleichgiltig; er hat mir ja gar nichts gethan. Uebrigens will ich nun aufbrechen. Ich will mich von diesen Herren nicht wieder treffen lassen.«
»Haben Sie Angst?«
»Warum?«
»Na, Sie wollen sich ja nicht wieder sehen lassen!«
Der Amerikaner sah den Baron groß und erstaunt an, lachte dann laut auf und sagte:
»Hören Sie, Sie werden mich doch nicht etwa gar für den gesuchten Baron und Hauptmann halten?«
»Warum nicht? Bei Ihrer
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